1In jenen Tagen hatte Israel noch keinen König. In einem abgelegenen Landstrich des Berglands von Ephraim lebte ein Mann aus dem Stamm Levi als Fremder. Eines Tages machte er eine junge Frau aus Bethlehem in Juda zu seiner Nebenfrau. (Ri 18,1)2Doch die Frau war ihm untreu[1] und kehrte ins Haus ihres Vaters nach Bethlehem in Juda zurück. Als sie etwa vier Monate dort war,3machte sich ihr Mann mit einem Knecht und zwei Eseln auf den Weg nach Bethlehem, um sie zur Rückkehr zu überreden. Als er beim Haus ihres Vaters ankam, bat sie ihn herein, und auch ihr Vater hieß ihn herzlich willkommen. (1Mo 34,3; 1Mo 50,21)4Sein Schwiegervater drängte ihn, doch eine Weile zu bleiben, und so blieb er drei Tage und aß, trank und schlief bei ihnen.5Am vierten Tag stand der Mann früh auf. Er wollte aufbrechen, doch der Vater der Frau sagte: »Iss doch noch ein Stück Brot, bevor du dich auf den Weg machst.« (1Mo 18,5)6Die beiden setzten sich und aßen und tranken zusammen. Danach meinte der Vater der Frau: »Tu mir den Gefallen und bleib noch diese Nacht und lass es dir gut gehen.«7Der Mann erhob sich und wollte sich verabschieden, aber sein Schwiegervater drängte ihn sehr zu bleiben. Schließlich gab er nach und übernachtete noch einmal bei ihm.8Am Morgen des fünften Tages stand er wieder früh auf, weil er sich auf den Weg machen wollte, und wieder sagte der Vater der Frau: »Stärke dich doch und bleibe noch bis zum Nachmittag.« Da aßen die beiden noch einmal zusammen.9Als sich der Mann mit seiner Nebenfrau und seinem Knecht zum Aufbruch rüstete, sagte sein Schwiegervater: »Schau, es ist schon spät. Ihr solltet lieber hier übernachten. Es wird bald Abend. Bleib noch eine Nacht hier und lass es dir gut gehen. Morgen könnt ihr euch dann früh auf den Weg nach Hause machen.«10Doch diesmal war der Mann entschlossen abzureisen. Er nahm seine beiden gesattelten Esel und seine Nebenfrau und brach auf und kam bis in die Gegend von Jebus, das ist Jerusalem. (Jos 15,8; 1Chr 11,4)11Als sie Jebus erreichten, war der Tag fast vorbei, und der Knecht des Mannes schlug vor: »Komm, lass uns hier in dieser jebusitischen Stadt einkehren und die Nacht dort verbringen.« (Ri 19,19)12»Nein«, antwortete sein Herr, »wir können nicht in dieser fremden Stadt bleiben, in der es keine Israeliten gibt. Wir wollen lieber nach Gibea weitergehen.«13Und er ermutigte seinen Knecht: »Lass uns ruhig in eine andere Ortschaft weiterziehen. In Gibea oder Rama werden wir schon eine Übernachtungsmöglichkeit finden.«14Also zogen sie weiter. Bei Sonnenuntergang kamen sie nach Gibea, eine Stadt im Land Benjamin.15Dort kehrten sie ein, um zu übernachten. Sie stellten sich auf den Platz der Stadt, aber keiner bot ihnen für die Nacht seine Gastfreundschaft an.16Da kam ein alter Mann von seiner Arbeit auf den Feldern nach Hause. Er stammte aus dem Bergland von Ephraim und lebte als Fremder in Gibea. Die Einwohner der Stadt gehörten zum Stamm Benjamin. (Ps 104,23)17Als er die Reisenden auf dem Platz sitzen sah, fragte der alte Mann: »Woher kommst du und wohin gehst du?«18»Wir sind unterwegs von Bethlehem in Juda zu einem abgelegenen Landstrich im Bergland von Ephraim«, erklärte der Mann. »Von dort komme ich. Ich war in Bethlehem in Juda und befinde mich nun auf dem Heimweg. Aber niemand hat uns für die Nacht in sein Haus eingeladen, (Ri 18,31)19obwohl wir alles dabeihaben, was wir brauchen. Wir haben Stroh und Futter für unsere Esel und genügend Brot und Wein für uns[2].«20»Friede sei mit dir«, sagte der alte Mann. »Alles, was du brauchst, lass meine Sorge sein. Du darfst jedenfalls die Nacht nicht hier auf dem Platz verbringen.«21Er nahm sie mit nach Hause und fütterte ihre Esel. Nachdem sie ihre Füße gewaschen hatten, aßen und tranken sie zusammen. (1Mo 24,32)22Während sie es sich gut gehen ließen, umstellten einige Männer aus der Stadt das Haus. Es waren durch und durch verdorbene Menschen. Sie schlugen gegen die Tür und forderten den Alten auf: »Bring den Mann heraus, der bei dir wohnt, wir wollen uns an ihm befriedigen[3].« (1Mo 19,4)23Da ging der alte Mann, dem das Haus gehörte, hinaus, um mit ihnen zu reden. »Nein, meine Brüder, so etwas Schlimmes dürft ihr nicht tun. Dieser Mann ist als Gast in mein Haus gekommen, es wäre eine Schandtat[4], ihm das anzutun. (1Mo 34,7; 2Sam 13,12)24Hier sind meine Tochter, die noch Jungfrau ist, und die Nebenfrau des Mannes. Ich will sie euch selbst herausbringen, und ihr könnt euch an ihnen vergehen und mit ihnen machen, was ihr wollt. Aber diesem Mann dürft ihr nicht etwas so Schändliches antun.« (1Mo 19,8)25Aber die Männer wollten nicht auf ihn hören. Da ergriff der Levit seine Nebenfrau und brachte sie zu ihnen nach draußen. Die Männer aus der Stadt missbrauchten sie die ganze Nacht und vergewaltigten sie abwechselnd bis zum Morgen. Erst in der Morgendämmerung ließen sie von ihr ab.26Bei Tagesanbruch kehrte die Frau zu dem Haus zurück, in dem ihr Mann übernachtete. Sie brach auf der Türschwelle zusammen und blieb dort liegen, bis es hell wurde.27Als ihr Mann am Morgen aufstand, die Haustür öffnete und heraustrat, weil er sich auf den Weg machen wollte, fand er seine Nebenfrau dort. Sie lag mit dem Gesicht am Boden, die Hände zur Schwelle ausgestreckt.28»Steh auf«, sagte er. »Wir wollen gehen!« Aber sie gab keine Antwort.[5] Da legte er sie auf seinen Esel und brachte sie nach Hause. (Ri 20,5)29Zu Hause nahm er ein Messer, schnitt den Körper seiner Nebenfrau in zwölf Teile und schickte jedem Stamm Israels eines davon. (1Sam 11,7)30Jeder, der es sah, sagte: »Ein so abscheuliches Verbrechen ist nicht mehr vorgekommen, seit Israel aus Ägypten auszog. Denkt darüber nach, beratet euch und sprecht darüber!« (Ri 20,7)
1Zu dieser Zeit, als es in Israel noch keinen König gab, lebte ganz im Norden des Gebirges Efraïm ein Levit, der sich eine Nebenfrau aus Bethlehem in Juda genommen hatte.2Doch diese wurde ihm untreu und ging fremd. Dann lief sie ihm weg und kehrte ins Haus ihres Vaters nach Bethlehem zurück. Vier Monate später3machte ihr Mann sich auf, um mit ihr zu sprechen und sie zurückzugewinnen. Er hatte seinen Diener, einen jungen Mann, mitgenommen und zwei Esel. Die junge Frau brachte ihn zu ihrem Vater ins Haus. Als dieser ihn sah, kam er ihm freudig entgegen.4Sein Schwiegervater wollte ihn gar nicht wieder gehen lassen. So blieben sie drei Tage da, aßen, tranken und übernachteten bei ihm.5Am vierten Tag standen sie früh auf, um sich auf den Weg zu machen. Da sagte der Vater der jungen Frau zu seinem Schwiegersohn: „Iss doch noch eine Kleinigkeit und stärke dich für den Weg! Dann könnt ihr gehen.“6So setzten sich die beiden Männer hin und aßen und tranken. „Tu mir doch den Gefallen“, sagte der Schwiegervater dann, „und bleib noch eine Nacht. Lass es dir bei mir gut gehen!“7Doch der Levit erhob sich, um zu gehen. Sein Schwiegervater aber drängte ihn, dass er doch noch eine Nacht blieb.8Am fünften Tag stand der Levit wieder früh auf, um sich auf den Weg zu machen. Da sagte der Vater der jungen Frau: „Stärke dich doch erst noch und bleibt hier, bis der Tag kühler wird!“ So aßen sie noch einmal miteinander.9Dann erhob sich der Levit, um sich mit seiner Frau und seinem Diener auf den Weg zu machen. Doch der Vater der jungen Frau versuchte es noch einmal: „Schau, es wird schon wieder Abend. Übernachte doch noch einmal. Bleib noch eine Nacht und lass es dir wohl sein. Morgen früh könnt ihr dann aufbrechen und nach Hause zurückkehren.“10Aber der Levit wollte nicht noch einmal übernachten. Er stand auf und machte sich mit seiner Nebenfrau und den beiden gesattelten Eseln auf den Heimweg.
Nachtquartier gesucht
11Als sie nach Jebus[1] kamen, war der Tag schon fast zu Ende gegangen. Da sagte der junge Mann zu seinem Herrn: „Lass uns doch in die Jebusiterstadt hier gehen und dort übernachten!“12Doch sein Herr erwiderte: „Nein, wir kehren nicht bei Fremden ein, die keine Israeliten sind. Lasst uns nach Gibea[2] hinübergehen!13Wenn wir uns beeilen, können wir Gibea oder sogar Rama[3] erreichen und dort übernachten.“14So zogen sie weiter. Als sie in die Nähe von Gibea gekommen waren, das zu Benjamin gehört, ging ihnen die Sonne unter.15Da bogen sie vom Weg ab und betraten die Stadt. Doch es gab niemand, der sie zum Übernachten in sein Haus aufgenommen hätte. So ließen sie sich auf dem Marktplatz nieder.16Es war schon Abend, da kam ein alter Mann von seiner Feldarbeit nach Hause. Er stammte vom Gebirge Efraïm und lebte als Fremder unter den Benjaminiten im Ort.17Als er den Wanderer im Freien rasten sah, sprach er ihn an: „Wohin gehst du und woher kommst du?“18„Wir kommen aus Bethlehem in Juda und wollen an das andere Ende des Gebirges Efraïm. Ich stamme von dort und habe eine Reise nach Bethlehem unternommen und bin jetzt auf dem Rückweg nach Hause. Aber hier in Gibea will uns niemand aufnehmen,19obwohl wir Stroh und Futter für die Esel und Brot und Wein für uns, deine Diener, mitgenommen haben, für mich, die Frau und den jungen Mann hier. Wir sind wirklich mit allem versorgt.“20Da sagte der alte Mann: „Schalom, seid mir willkommen! Lasst mich für euch sorgen und übernachtet nicht hier auf dem Platz!“21Er führte sie in sein Haus und schüttete den Eseln Futter vor. Dann wuschen sie ihre Füße und aßen und tranken miteinander.
Das Verbrechen von Gibea
22Während sie noch fröhlich beisammensaßen, umstellten plötzlich die Männer der Stadt das Haus. Es war ein übles Gesindel. Sie trommelten gegen die Tür und schrien nach dem alten Mann, dem Hausherrn: „Los, bring uns den Mann heraus, der bei dir ist! Wir wollen es mit ihm treiben!“23Da ging der alte Mann, der Besitzer des Hauses, zu ihnen hinaus und sagte: „Nein, meine Brüder, so etwas Schändliches dürft ihr nicht tun! Der Mann ist doch mein Gast!24Eher gebe ich euch meine unberührte Tochter heraus und dazu die Nebenfrau des Fremden, damit ihr sie vergewaltigen könnt. Macht mit ihnen, was ihr wollt! Aber diesem Mann dürft ihr nicht so etwas Schändliches antun!“25Doch die Männer wollten nicht auf ihn hören. Da packte der Mann seine Nebenfrau und brachte sie zu ihnen hinaus. Sie fielen über sie her und vergewaltigten sie die ganze Nacht. Erst als der Tag anbrach, ließen sie von ihr ab.26Die Frau schleppte sich noch bis zum Eingang des Hauses, in dem ihr Mann war, und brach dort zusammen. So lag sie, bis es hell wurde.27Als der Mann am Morgen aus der Tür trat, um weiterzuziehen, sah er die Frau, seine Nebenfrau. Sie lag am Eingang des Hauses, die ausgestreckten Hände auf der Schwelle.28„Steh auf“, sagte er zu ihr, „wir müssen weiter!“ Aber er bekam keine Antwort. Da lud er sie auf den Esel und reiste nach Hause.29Dort angekommen, nahm er ein Messer, zerteilte den Leichnam seiner Frau in zwölf Stücke und schickte diese im ganzen Gebiet Israels herum.30Jeder, der so ein Stück sah, sagte: „Solch ein Verbrechen hat es in Israel noch nie gegeben, seit unsere Vorfahren aus Ägypten hierhergekommen sind. Bedenkt das und überlegt genau, was ihr jetzt tun müsst!“