1Ich bin der Mann, der Elend sehen muss durch die Rute seines Grimmes.2Er hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis und nicht ins Licht.3Er hat seine Hand gewendet gegen mich und erhebt sie gegen mich Tag für Tag.4Er hat mir Fleisch und Haut alt gemacht und mein Gebein zerschlagen.5Er hat mich ringsum eingeschlossen und mich mit Bitternis und Mühsal umgeben.6Er hat mich in Finsternis versetzt wie die, die längst tot sind.7Er hat mich ummauert, dass ich nicht herauskann, und mich in harte Fesseln gelegt.8Und wenn ich auch schreie und rufe, so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet. (Ps 22,3; Ps 69,4)9Er hat meinen Weg vermauert mit Quadern und meinen Pfad zum Irrweg gemacht.10Er hat auf mich gelauert wie ein Bär, wie ein Löwe im Verborgenen.11Er lässt mich den Weg verfehlen, er hat mich zerfleischt und zunichtegemacht.12Er hat seinen Bogen gespannt und mich dem Pfeil zum Ziel gegeben.13Er hat mir seine Pfeile in die Nieren geschossen.14Ich bin ein Hohn für mein ganzes Volk und täglich ihr Spottlied. (Hi 30,9)15Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt und mit Wermut getränkt.16Er hat mich auf Kiesel beißen lassen, er drückte mich nieder in die Asche.17Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen.18Ich sprach: Mein Ruhm und meine Hoffnung auf den HERRN sind dahin.19Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!20Du wirst ja daran gedenken, denn meine Seele sagt mir’s.21Dies nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch:22Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, (Neh 9,31)23sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.24Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. (Ps 16,5; Ps 73,26)25Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.26Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. (Röm 8,25)27Es ist ein köstlich Ding für einen Mann, dass er das Joch in seiner Jugend trage.28Er sitze einsam und schweige, wenn Gott es ihm auferlegt,29und stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung.30Er biete die Backe dar dem, der ihn schlägt, und lasse sich viel Schmach antun. (Mt 5,39)31Denn der Herr verstößt nicht ewig; (Jes 54,8)32sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.33Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.34Wenn man alle Gefangenen auf Erden unter die Füße tritt35und eines Mannes Recht vor dem Allerhöchsten beugt36und eines Menschen Sache verdreht, – sollte das der Herr nicht sehen?37Wer darf denn sagen, dass solches geschieht ohne des Herrn Befehl (Jes 45,7; Am 3,6)38und dass nicht Böses und Gutes kommt aus dem Munde des Allerhöchsten?39Was murren denn die Leute im Leben, ein jeder über die Folgen seiner Sünde?40Lasst uns erforschen und prüfen unsern Wandel und uns zum HERRN bekehren!41Lasst uns unser Herz samt den Händen aufheben zu Gott im Himmel!42Wir, wir haben gesündigt und sind ungehorsam gewesen, darum hast du nicht vergeben. (Ps 106,6)43Du hast dich in Zorn gehüllt und uns verfolgt und ohne Erbarmen getötet.44Du hast dich mit einer Wolke verdeckt, dass kein Gebet hindurchkonnte.45Du hast uns zu Kehricht und Unrat gemacht unter den Völkern.46Alle unsere Feinde reißen ihr Maul auf über uns.47Wir werden gedrückt und geplagt mit Schrecken und Angst.48Wasserbäche rinnen aus meinen Augen über den Jammer der Tochter meines Volks.49Meine Augen fließen und können’s nicht lassen, und es ist kein Aufhören da,50bis der HERR vom Himmel herabschaut und darein sieht. (Ps 102,20)51Mein Auge macht mir Schmerzen wegen all der Töchter meiner Stadt.52Meine Feinde haben mich ohne Grund gejagt wie einen Vogel.53Sie haben mein Leben in der Grube zunichtegemacht und Steine auf mich geworfen.54Wasser hat mein Haupt überschwemmt; da sprach ich: Nun bin ich verloren.55Ich rief aber deinen Namen an, HERR, unten aus der Grube,56und du erhörtest meine Stimme: »Verbirg deine Ohren nicht vor meinem Seufzen und Schreien!«57Du nahtest dich zu mir, als ich dich anrief, und sprachst: Fürchte dich nicht!58Du führst, Herr, meine Sache und erlöst mein Leben.59Du siehst, HERR, wie mir Unrecht geschieht; hilf mir zu meinem Recht!60Du siehst, wie sie Rache üben wollen, und kennst alle ihre Gedanken gegen mich.61HERR, du hörst ihr Schmähen und alle ihre Anschläge gegen mich,62die Reden meiner Widersacher und ihr Geschwätz über mich den ganzen Tag.63Sieh doch: Ob sie sitzen oder aufstehen, singen sie über mich Spottlieder.64Vergilt ihnen, HERR, wie sie verdient haben! (Ps 137,8; Kla 1,21; 1Petr 2,23; 1Petr 3,9)65Lass ihnen das Herz verstockt werden, lass sie deinen Fluch fühlen!66Verfolge sie mit Grimm und vertilge sie unter dem Himmel des HERRN.
1Ich bin der Mann, der viel gelitten hat unter den zornigen Schlägen des HERRN.2Ich bin es, den er vor sich hertrieb, immer tiefer in die dunkelste Nacht.3Immer nur mich traf seine Faust, Tag für Tag, ohne einzuhalten.4Er lässt meine Haut und mein Fleisch zerfallen und zerbricht mir alle meine Knochen.5Von allen Seiten schließt er mich ein, er umstellt mich mit Bitterkeit und Qual.6In Finsternis lässt er mich wohnen wie die, die schon seit Langem tot sind. (Ps 88,12)7Er hat mich ummauert und in Ketten gelegt, aus diesem Gefängnis gibt es keinen Ausweg. (Hi 19,8)8Ich kann um Hilfe schreien, soviel ich will – mein Rufen dringt nicht durch bis an sein Ohr. (Ps 22,3)9Er hat mir den Weg mit Steinen versperrt, sodass ich ständig in die Irre gehe.10Wie ein Bär hat er mir aufgelauert, wie ein Löwe in seinem Hinterhalt. (Hos 13,7)11Er hat mich vom Weg heruntergezerrt,[1] dann hat er mich zusammengeschlagen.12Er hat den Bogen auf mich angelegt und mich als Ziel für seine Pfeile benutzt. (Hi 6,4)13Pfeil auf Pfeil hat er abgeschossen und mir den Rücken damit durchbohrt.14Die Leute meines Volkes lachen mich aus, täglich singen sie ihr Spottlied über mich. (Hi 30,9; Jer 20,7)15Er gab mir die bitterste Kost zu essen und ließ mich bitteren Wermut trinken. (Jer 8,14)16Er hat mich in den Staub gedrückt und mich gezwungen, Kies zu kauen.17Das ruhige Leben hat er mir genommen; ich weiß nicht mehr, was Glück bedeutet.18Ich habe keine Zukunft mehr, vom HERRN ist nichts mehr zu erhoffen!19An all dieses rastlose Elend zu denken ist Gift für mich und macht mich bitter.20Doch immer wieder muss ich daran denken und bin erfüllt von Verzweiflung und Schwermut.21Ich will mich an etwas anderes erinnern, damit meine Hoffnung wiederkommt:22Von Gottes Güte kommt es, dass wir noch leben. Sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende, (Neh 9,31)23seine Liebe ist jeden Morgen neu und seine Treue unfassbar groß.24Ich sage: Der HERR ist mein Ein und Alles; darum setze ich meine Hoffnung auf ihn.25Der HERR ist gut zu denen, die nach ihm fragen, zu allen, die seine Nähe suchen.26Darum ist es das Beste, zu schweigen und auf die Hilfe des HERRN zu warten. (Ps 62,2)27Für jeden Menschen ist es gut, wenn er schon früh gelernt hat, Last zu tragen.28Wenn der HERR ihm etwas auferlegt, soll er für sich allein bleiben und schweigen.29Er soll seinen Mund auf den Boden pressen – vielleicht ist doch noch Hoffnung auf Hilfe!30Dem, der ihn schlägt, soll er die Backe hinhalten und alle Schmach und Schande auf sich nehmen. (Jes 50,6; Mt 5,39)31Der Herr verstößt uns nicht für immer. (Jer 3,12)32Auch wenn er uns Leiden schickt, erbarmt er sich doch wieder über uns, weil seine Liebe so reich und groß ist.33Es macht ihm selbst keine Freude, seinen Kindern Schmerz und Kummer zu bereiten.34Alle Gefangenen in unserem Land wurden getreten und misshandelt;35unter den Augen des höchsten Gottes wurden sie um ihr Recht gebracht;36Unschuldige wurden verurteilt – und das soll der Herr nicht gesehen haben?37Wer sonst spricht ein Wort und es geschieht? Geschieht nicht alles auf seinen Befehl? (Ps 33,9)38Wenn Glück oder Unglück über uns kommt, hat nicht der Höchste es angeordnet? (Am 3,6)39Mit welchem Recht beklagt sich der Mensch bei Gott? Gegen seine Sünde soll er Klage erheben!40Lasst uns unser Leben überprüfen und wieder umkehren zu dem HERRN!41Lasst uns die Hände zum Himmel strecken und Herz und Sinn zum HERRN hinwenden!42Wir haben gesündigt und dir, HERR, getrotzt und du hast uns die Schuld noch nicht vergeben. (Kla 1,18)43Du hast dich ganz in deinen Zorn gehüllt, uns schonungslos gejagt und getötet.44In einer Wolke hast du dich versteckt, damit kein Gebet dich erreichen konnte.45Wie Dreck hast du uns zusammengekehrt, wie Abfall mitten unter den Völkern.46Alle unsere Feinde spotten über uns, höhnisch reißen sie ihre Mäuler auf. (Kla 1,7)47Schrecken und Entsetzen wurden unser Los, Zusammenbruch und Untergang.48Meine Augen zerfließen in Tränen, weil mein Volk zugrunde gegangen ist. (Jer 8,23)49Wie ein Bach, der nie zur Ruhe kommt, strömen meine Tränen, ohne zu versiegen,50bis der HERR sich vom Himmel herabneigt und seinen Blick wieder auf uns richtet. (Ps 102,20)51Es tut mir weh, wenn ich sehen muss, wie es den Frauen in der Stadt ergeht.52Sie haben mir nachgestellt wie einem Vogel, obwohl ich niemandem Anlass gab, mein Feind zu sein. (Jer 17,18)53Sie haben mich lebend in die Grube gestürzt und einen Stein auf die Öffnung gewälzt. (Jer 38,6)54Das Wasser stieg mir bis an die Kehle, ich dachte schon, es sei aus mit mir. (Ps 69,2; Jon 2,6)55Da rief ich zu dir, HERR, um Hilfe; aus der Tiefe der Grube schrie ich zu dir:56»Verschließ dein Ohr nicht! Hör mein Flehen!« Und du hast meinen Hilferuf gehört!57Als ich zu dir schrie, bist du gekommen und hast zu mir gesagt: »Hab keine Angst!«58Du hast mich verteidigt und mir Recht verschafft; das Leben hast du mir gerettet.59Du weißt, was sie mir angetan haben. Stell mein Recht doch völlig wieder her!60Du hast ihren ganzen Hass gesehen und ihre finsteren Pläne gegen mich.61Du hast gehört, wie sie mich schmähten und ihre Pläne gegen mich berieten.62Alles, was sie reden und denken, ist gegen mich gerichtet, Tag für Tag.63Behalte ihr Tun und Lassen fest im Auge! Noch immer singen sie ihr Spottlied auf mich.64Alles, was sie mir angetan haben, HERR, zahl es ihnen heim, vergilt es ihnen! (Ps 137,8; Kla 1,21; 1Petr 2,23)65Verblende sie, verwirre ihren Sinn, schleudere deinen Fluch gegen sie!66Verfolge sie mit deinem ganzen Zorn und fege sie von der Erde weg!
1Seht mich an – wie viel Elend muss ich ertragen! Ich bin der Mann, den Gott mit seiner Rute schlägt.2Voller Zorn hat er mich fortgejagt und immer tiefer in die Finsternis getrieben.3Gegen mich sind seine Hiebe gerichtet, den ganzen Tag trifft mich seine strafende Hand.4Davon bin ich abgemagert und krank geworden; all meine Knochen hat er mir zerschlagen.5Bitteres Leid und Trauer haben mich überwältigt, Gott selbst hat mich darin eingeschlossen.6In völliger Dunkelheit lässt er mich zurück, als wäre ich schon lange tot.7Mit schweren Ketten hat er mich gefesselt und mein Gefängnis mit hohen Mauern umgeben.8Wenn ich schreie und um Hilfe rufe, so verschließt er sich meinem Gebet.9Wohin ich mich wende, jeder Weg ist versperrt – Gott lässt mich nicht entkommen!10Er hat mir aufgelauert wie ein Bär, wie ein Löwe in seinem Versteck.11Er hat mich vom Weg abgedrängt, mich zerfleischt und hilflos liegen lassen.12Er spannte seinen Bogen und zielte mit seinen Pfeilen auf mich.13Immer wieder griff er in seinen Köcher und schoss mir mitten durchs Herz.14Mein Volk verlacht mich Tag für Tag, sie singen Spottlieder auf mich.15Gott reicht mir bittere Kräuter zu essen und füllt mir den Becher mit Wermut.16Er gibt mir Steine statt Brot, er tritt mich tief in den Staub.17Was Frieden und Glück ist, weiß ich nicht mehr. Du, Herr, hast mir alles genommen.18Darum sagte ich: »Meine Kraft ist geschwunden, und meine Hoffnung auf den HERRN ist dahin.19Meine Not ist groß, ich habe keine Heimat mehr. Schon der Gedanke daran macht mich bitter und krank.20Und doch muss ich ständig daran denken und bin vor lauter Grübeln am Boden zerstört.«21Aber eine Hoffnung bleibt mir noch, an ihr halte ich trotz allem fest:22Die Güte des HERRN hat kein Ende,[1] sein Erbarmen hört niemals auf,23es ist jeden Morgen neu! Groß ist deine Treue, o Herr!24Darum setze ich meine Hoffnung auf ihn, der HERR ist alles, was ich brauche[2].25Denn der HERR ist gut zu dem, der ihm vertraut und ihn von ganzem Herzen sucht.26Darum ist es das Beste, geduldig zu sein und auf die Hilfe des HERRN zu warten.27Und es ist gut für einen Menschen, wenn er schon früh lernt, Schweres zu tragen.28Wenn Gott ihm die Last auferlegt, soll er es annehmen und nicht aufbegehren.29Demütig beuge er sich tief in den Staub, vielleicht gibt es ja noch Hoffnung für ihn.30Wenn man ihn schlägt, soll er die Wange hinhalten und die Demütigung still ertragen.31Denn wenn der Herr einen Menschen verstößt, dann tut er es nicht für immer und ewig.32Er lässt ihn zwar leiden, aber erbarmt sich auch wieder, denn seine Gnade und Liebe ist groß.33Wenn er strafen muss, hat er keine Freude daran, sondern das Leid seiner Kinder schmerzt ihn auch selbst.34Es gibt so viel Unrecht in diesem Land: Die Gefangenen werden mit Füßen getreten,35vor den Augen des höchsten Gottes bringt man Unschuldige um ihr Recht.36Vor Gericht wird gelogen und betrogen – meint ihr etwa, der Herr sieht das nicht?37Wer kann etwas geschehen lassen, wenn der Herr es nicht befiehlt?38Alles Glück haben wir ihm zu verdanken, und genauso kommt das Unglück aus seiner Hand.39Solange wir leben, brauchen wir uns nicht zu beklagen. Sind es nicht unsere Sünden, für die Gott uns bestraft?40Kommt, wir wollen unser Leben sorgfältig prüfen und wieder zurückkehren zum HERRN!41Ihm wollen wir unsere Herzen öffnen, zu unserem Gott im Himmel die Hände erheben:42»Herr, wir haben gesündigt und dir die Treue gebrochen – und das hast du uns nicht vergeben!43Stattdessen hast du dich in Zorn gehüllt, du hast uns verfolgt und erbarmungslos getötet!44In einer dichten Wolke hast du dich verborgen, kein Gebet konnte mehr zu dir durchdringen.45Du hast dafür gesorgt, dass die Völker uns wie Dreck behandeln, zum Abschaum der Menschheit sind wir geworden.46Unsere Feinde stecken die Köpfe zusammen und zerreißen sich das Maul über uns.47Angst und Schrecken haben uns gepackt, überall erlebten wir Zerstörung und Tod.«48Mein geliebtes Volk ist dem Untergang nahe, darum muss ich hemmungslos weinen.49Unaufhörlich fließen meine Tränen. Ich werde so lange keine Ruhe finden,50bis der HERR vom Himmel herabschaut und unser Schicksal endlich beachtet.51Mir bricht das Herz, wenn ich sehe, wie es den Frauen in der Stadt ergeht.52Ich habe meinen Feinden nichts getan, doch sie haben mich gefangen wie einen Vogel.53Sie stürzten mich lebend in einen Brunnen und warfen Steine auf mich herab.54Das Wasser schlug über mir zusammen, und ich dachte schon: »Das ist das Ende!«55Da schrie ich zu dir um Hilfe, o HERR, tief unten aus der Grube flehte ich dich an,56deine Ohren nicht vor mir zu verschließen. Und wirklich: Du hast mich erhört!57Als ich rief, kamst du mir ganz nahe und sprachst: »Fürchte dich nicht!«58Herr, du bist für mich eingetreten und hast mein Leben gerettet.59Du weißt, wie viel Unrecht ich erleiden musste. HERR, schaffe du mir nun Recht!60Du kennst die Rachsucht meiner Feinde und die Pläne, die sie gegen mich schmieden.61HERR, du hast gehört, wie sie mich schmähen, ihre finsteren Intrigen sind dir nicht verborgen.62Tagein, tagaus verhöhnen sie mich, immer ziehen sie über mich her.63Sieh sie dir an und hör doch die Spottlieder, die sie von früh bis spät über mich singen!64Ich bitte dich: Vergelte es ihnen, o HERR! Gib ihnen den gerechten Lohn für ihre Taten!65Lass ihre Herzen hart und verblendet sein, ja, möge dein Fluch über sie kommen!66Verfolge sie, bis dein Zorn sie trifft, und lass sie von deiner Erde verschwinden!
Klagelieder 3
Menge Bibel
1Ich bin der Mann, der Elend erlebt hat durch die Rute seines[1] Zornes;2mich hat er geführt und getrieben in Finsternis und tiefes Dunkel;3nur[2] gegen mich kehrt er immer wieder seine Hand Tag für Tag!4Mein Fleisch und meine Haut hat er hinschwinden lassen, meine Glieder zerschlagen;5aufgetürmt hat er rings um mich Gift[3] und Mühsal;6in Finsternis hat er mich versenkt wie die ewig Toten.7Er hat mich ummauert, daß ich keinen Ausweg habe, mich mit schweren Ketten beladen;8ob ich auch schreie und rufe: er verschließt sich meinem Flehen.9Er hat meine Wege mit Quadersteinen vermauert, meine Pfade ungangbar gemacht.10Ein lauernder Bär ist er mir gewesen, ein Löwe im Versteck.11Er hat mich auf Irrwegen wandeln lassen und mich zerfleischt, mich verstört[4];12er hat seinen Bogen gespannt und mich als Zielscheibe hingestellt für seine Pfeile,13hat die Söhne[5] seines Köchers mir ins Herz dringen lassen.14Meinem ganzen Volk bin ich zum Hohn geworden, ihr Spottlied den ganzen Tag;15mit Bitternissen hat er mich gesättigt, mit Wermut mich getränkt.16Meine Zähne hat er mich an Kieseln zerbeißen lassen, mich in den Staub niedergetreten[6].17Du hast meiner Seele den Frieden entrissen, so daß ich verlernt habe, glücklich zu sein,18und ausrufe: »Dahin ist meine Lebenskraft und verloren meine Hoffnung[7] auf den HERRN!«19Gedenke meines Elends und meiner Irrsale, des Wermuts und des Gifts!20Ohne Unterlaß denkt meine Seele daran und ist gebeugt in mir.21Dies will ich mir zu Herzen nehmen und darum der Hoffnung leben:22Die Gnadenerweisungen des HERRN sind noch nicht erschöpft, sein Erbarmen ist noch nicht zu Ende;23alle Morgen sind sie neu, groß ist deine Treue.24»Der HERR ist mein Teil!« bekennt meine Seele; drum will ich auf ihn hoffen.25Gütig ist der HERR gegen die, welche auf ihn harren, gegen ein Herz, das ihn sucht.26Gut ist es, geduldig zu sein und schweigend zu warten auf die Hilfe des HERRN.27Gut ist es für jeden, das Joch schon in seiner Jugend tragen zu lernen;28er sitze einsam und schweige, wenn[8] der HERR es ihm auferlegt!29Er neige seinen Mund in den Staub hinab: vielleicht ist noch Hoffnung vorhanden;30er biete ihm, wenn er ihn schlägt, die Wange dar, lasse sich mit Schmach sättigen!31Denn nicht auf ewig verstößt der HERR,32sondern, wenn er Trübsal verhängt hat, erbarmt er sich auch wieder nach seiner großen Güte;33denn nicht aus Lust plagt und betrübt er die Menschenkinder.34Wenn man mit Füßen niedertritt alle Gefangenen der Erde[9],35wenn man das Recht eines Mannes beugt vor den Augen des Höchsten,36wenn man einen Menschen in seinem Rechtsstreit[10] ins Unrecht setzt: sollte das der Herr nicht beachten?37Wer kann denn befehlen, daß etwas geschehe, ohne daß der Herr es geboten hat?38Geht nicht aus dem Munde des Höchsten das Glück wie das Unglück hervor?39Was klagt (also) der Mensch, solange er lebt? Ein jeder klage über seine Sünden!40Laßt uns unsern Wandel prüfen und erforschen und zum HERRN umkehren!41Laßt uns unser Herz mitsamt den Händen erheben zu Gott im Himmel!42Wir sind es, die abtrünnig und ungehorsam gewesen sind; du aber hast nicht verziehen,43hast dich in Zorn gehüllt und uns verfolgt, hingerafft ohne Schonung;44du hast dich in Gewölk gehüllt, so daß kein Gebet hindurchdringen konnte;45zu Kehricht und zum Abscheu hast du uns gemacht inmitten der Völker.46Es haben den Mund gegen uns aufgerissen all unsere Feinde;47Grauen und Grube sind uns zuteil geworden, Verwüstung und Untergang!48Wasserbäche läßt mein Auge rinnen über die Zertrümmerung der Tochter meines Volkes.49Mein Auge ergießt sich ruhelos in Tränen ohne Aufhören,50bis[11] der HERR vom Himmel herniederschaue und dareinsehe.51Was ich sehen muß, versetzt mich in Trauer um aller Töchter meiner Stadt willen.52Ach! Wie einen Vogel haben die mich gejagt, die mir ohne Ursache feind sind;53sie haben mich in die Grube gestoßen, um mein Leben zu vernichten, und haben Steine auf mich geworfen:54die Wasser schlugen mir über dem Haupt zusammen; ich dachte: »Mit mir ist’s aus!«55Da rief ich deinen Namen an, HERR, tief unten aus der Grube,56und du hast mich gehört, als ich zu dir flehte: »Verschließ dein Ohr nicht meinem Hilferuf!«57Du hast dich mir genaht, als ich dich anrief, hast mir zugerufen: »Fürchte dich nicht!«58Du, o HERR, hast meine Sache geführt, hast mein Leben gerettet;59du, o HERR, hast meine Unbill[12] gesehen: verhilf mir zu meinem Recht!60Du hast all ihre Rachgier gesehen, all ihre Anschläge gegen mich,61hast, o HERR, ihr Schmähen gehört, all ihre Anschläge gegen mich,62das Gerede meiner Widersacher und ihre täglichen Ränke gegen mich.63Gib acht auf ihr Sitzen und ihr Aufstehen[13]: ihr Spottlied bin ich!64Du wirst ihnen vergelten, HERR, wie ihre Taten es verdienen,65wirst ihnen Verblendung ins Herz geben: dein Fluch komme über sie!66Du wirst sie im Zorn verfolgen und sie vertilgen unter Gottes[14] Himmel hinweg!