Klagelieder 2

Lutherbibel 2017

von Deutsche Bibelgesellschaft
1 Ach, wie hat der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel auf die Erde geworfen; er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns. (Ps 132,7)2 Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt, er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm, er hat zu Boden gestreckt und entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten.3 Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen, er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam, und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt.4 Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war; im Zelt der Tochter Zion hat er seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet.5 Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat Israel vertilgt. Er hat zerstört alle Paläste und hat die Burgen vernichtet; er hat der Tochter Juda viel Jammer und Leid gebracht.6 Er hat sein eigenes Zelt zerwühlt wie einen Garten und seine Wohnung vernichtet. Der HERR hat in Zion Feiertag und Sabbat vergessen lassen, und in seinem grimmigen Zorn ließ er König und Priester schänden. (Kla 5,12; Hos 2,13)7 Der Herr hat seinen Altar verworfen und sein Heiligtum entweiht. Er hat die Mauern ihrer Paläste in des Feindes Hände gegeben, dass sie im Hause des HERRN Geschrei erhoben haben wie an einem Feiertag.8 Der HERR gedachte zu vernichten die Mauer der Tochter Zion; er hat die Messschnur über die Mauern gezogen und seine Hand nicht abgewendet, bis er sie vertilgte. Er ließ Mauer und Wall trauern und miteinander fallen. (2Kön 21,13)9 Ihre Tore sind tief in die Erde gesunken; er hat ihre Riegel zerbrochen und zunichtegemacht. Ihr König und ihre Fürsten sind unter den Völkern, wo sie das Gesetz nicht üben können, und ihre Propheten haben keine Gesichte vom HERRN.10 Die Ältesten der Tochter Zion sitzen auf der Erde und sind still, sie werfen Staub auf ihre Häupter und haben den Sack angezogen. Die Jungfrauen von Jerusalem senken ihre Köpfe zur Erde.11 Ich habe mir fast die Augen ausgeweint, mein Leib tut mir weh, mein Herz ist auf die Erde ausgeschüttet über dem Jammer der Tochter meines Volks, weil die Säuglinge und Unmündigen auf den Gassen in der Stadt verschmachten.12 Zu ihren Müttern sprechen sie: Wo ist Brot und Wein?, da sie auf den Gassen in der Stadt verschmachten wie die tödlich Verwundeten und in den Armen ihrer Mütter den Geist aufgeben.13 Ach, du Tochter Jerusalem, wem soll ich dich vergleichen und wie soll ich dir zureden? Du Jungfrau, Tochter Zion, wem soll ich dich vergleichen, damit ich dich tröste? Denn dein Schaden ist groß wie das Meer. Wer kann dich heilen?14 Deine Propheten haben dir trügerische und törichte Gesichte verkündet und dir deine Schuld nicht offenbart, wodurch sie dein Geschick abgewandt hätten, sondern sie haben dich Worte hören lassen, die Trug waren und dich verführten. (Jer 14,14; Jer 23,16)15 Alle, die vorübergehen, klatschen in die Hände, pfeifen und schütteln den Kopf über die Tochter Jerusalem: Ist das die Stadt, von der man sagte, sie sei die allerschönste, an der sich alles Land freut? (Ps 48,3; Hes 16,14)16 Alle deine Feinde reißen ihr Maul auf über dich, pfeifen und knirschen mit den Zähnen und sprechen: »Ha! Wir haben sie vertilgt! Das ist der Tag, den wir begehrt haben; wir haben’s erlangt, wir haben’s erlebt.«17 Der HERR hat getan, was er vorhatte; er hat sein Wort erfüllt, das er längst zuvor geboten hat. Er hat ohne Erbarmen zerstört, er hat den Feind über dich frohlocken lassen und hat die Macht deiner Widersacher erhöht.18 Ihr Herz schrie zum Herrn: »Ach, du Mauer der Tochter Zion!« Lass Tag und Nacht Tränen herabfließen wie einen Bach; höre nicht auf, und dein Augapfel lasse nicht ab!19 Steh des Nachts auf und schreie zu Beginn jeder Nachtwache, schütte dein Herz aus vor dem Herrn wie Wasser. Hebe deine Hände zu ihm auf um des Lebens deiner jungen Kinder willen, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken!20 HERR, schaue und sieh doch, wen du so verderbt hast! Sollen denn die Frauen ihres Leibes Frucht essen, die Kindlein, die man auf Händen trägt? Sollen denn Propheten und Priester in dem Heiligtum des Herrn erschlagen werden? (5Mo 28,53; Jer 19,9)21 Es lagen in den Gassen auf der Erde Knaben und Alte; meine Jungfrauen und Jünglinge sind durchs Schwert gefallen. Du hast getötet am Tage deines Zorns, du hast ohne Erbarmen geschlachtet.22 Du hast von allen Seiten her meine Feinde gerufen wie zu einem Feiertag, sodass niemand am Tage des Zorns des HERRN entronnen und übrig geblieben ist. Die ich auf den Händen getragen und großgezogen habe, die hat der Feind umgebracht.

Klagelieder 2

Das Buch

von SCM Verlag

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Klagelieder 2

Gute Nachricht Bibel 2018

von Deutsche Bibelgesellschaft
1 Ach, der Zorn des Herrn liegt auf der Zionsstadt[1] wie eine schwere, dunkle Wolke. Jerusalem, die Zierde Israels, hat er vom Himmel auf die Erde gestürzt. An seinem Gerichtstag nahm er keine Rücksicht darauf, dass Zion der Fußschemel seines Thrones war. (1Chr 28,2; Jes 60,13; Jes 66,1; Hes 43,7)2 Die Dörfer und Felder Israels hat er schonungslos vernichtet. Alle befestigten Städte in Juda hat er zornig niedergerissen. Dem Königreich und seinen Fürsten hat er ein schändliches Ende bereitet.3 In seinem Zorn hat er alles zerschlagen, wodurch Israel stark und mächtig war. Im Augenblick, als die Feinde kamen, zog er die schützende Hand von uns zurück. Er setzte Israel in Flammen wie ein Feuer, das nach allen Seiten frisst.4 Wie ein Feind hielt er den Bogen gespannt, seine rechte Hand bereit zum Schuss; so tötete er unsere blühende Jugend, die ganze Freude unserer Augen. Er goss seinen Zorn wie einen Feuerstrom über das Heiligtum der Zionsgemeinde. (Jes 63,10; Jer 21,5)5 Der HERR hat uns behandelt wie ein Feind, er hat Israel ganz vernichtet; die schönen Paläste hat er zerstört, die starken Burgen in Trümmer gelegt. Nur noch seufzen und stöhnen kann das Volk von Juda.6 Er zertrat sein eigenes Land, den blühenden Garten, seine Stadt, in der er wohnen wollte, die Stätte, an der wir zu ihm kamen; sein Volk ließ er Festtag und Sabbat vergessen. In seinem schrecklichen, glühenden Zorn verstieß er den König und die Priester. (Ps 76,3; Hos 2,13)7 Von seinem Altar wollte er nichts wissen, sein Heiligtum sah er mit Abscheu. Die Mauern und Türme der Zionsstadt übergab er in die Gewalt der Feinde. In seinem Tempel jubelten die Fremden, so wie wir es früher taten bei unseren Festen.8 Es war die erklärte Absicht des HERRN, die Mauern Jerusalems niederzureißen. Er wollte sie bis auf den Grund zertrümmern und hörte nicht auf, bis alles zerstört war. Wall und Mauer lässt er trauern, denn beide sind zu Schutt geworden.9 Die Tore sind in die Erde versunken, ihre festen Riegel schlug er in Stücke. König und Fürsten sind in der Fremde, von den Priestern kommt keine Weisung mehr; auch die Propheten haben nichts zu sagen, weil der HERR ihnen keine Botschaft mehr gibt. (Ps 74,9; Hes 7,26)10 Die erfahrenen Männer der Zionsstadt sitzen trauernd am Boden und schweigen; sie haben sich Erde auf den Kopf gestreut und den Sack um die Hüften gelegt. Die jungen Mädchen von Jerusalem lassen bekümmert die Köpfe hängen.11 Von Tränen sind meine Augen ganz blind, es brennt und tobt in meinen Eingeweiden, Schmerz und Verzweiflung brechen aus mir heraus; denn ich sah, wie mein Volk zugrunde ging. Kinder und Säuglinge sah ich verschmachten, draußen auf den Straßen der Stadt.12 Gequält von Hunger und Durst schrien sie laut nach ihren Müttern. Wie Verwundete brachen sie zusammen, draußen auf den Straßen der Stadt, und in den Armen ihrer Mütter taten sie den letzten Atemzug.13 Jerusalem, du geliebte Stadt, ich weiß nicht, was ich dir sagen soll! Mit welchem Schicksal soll ich deins vergleichen, um dich zu trösten, du Jungfrau Zion! Dein Schaden ist unermesslich wie das Meer! Kann dich noch jemand heilen?14 Was deine Propheten dir als Zukunft ankündigten, waren nur schöne, bunte Träume. Deine Schuld haben sie nicht aufgedeckt, sonst hätten sie noch alles zum Guten wenden können. Mit ihren leeren Prophetensprüchen haben sie dich betrogen und verführt. (Jer 14,13)15 Alle, die an dir vorüberkommen, klatschen schadenfroh in die Hände. Sie spotten und schütteln ihre Köpfe über die Trümmer Jerusalems: »Ist das die Stadt, die viel gerühmte, die Krone der Schönheit, die Freude der Welt?« (Ps 48,3; Ps 50,2; Jer 18,16)16 Deine Feinde überschütteten dich mit Hohn, weit rissen sie ihre Mäuler auf, sie zischten und zeigten dir drohend die Zähne. »Die haben wir erledigt!«, sagten sie. »Endlich ist der Tag gekommen, auf den wir so lange gewartet haben!« (Kla 1,7)17 Der HERR hat seine Pläne ausgeführt, er hat seine Drohungen wahr gemacht. Seit Langem hatte er es angekündigt, nun hat er dich schonungslos zertrümmert. Er ließ die Macht der Feinde triumphieren, sie durften sich über dein Unglück freuen. (Sach 1,6)18 Jerusalem, lass deine Mauern schreien, sie sollen zum Herrn um Erbarmen rufen![2] Lass deine Tränen fließen wie Bäche, unaufhörlich, bei Tag und bei Nacht! Gönne dir keine Ruhepause, lass deine Augen nicht trocken werden!19 Steh immer wieder auf in der Nacht und bring deine Klage vor den Herrn! Geh und suche seine Nähe, schütte dein ganzes Herz bei ihm aus! Streck ihm deine Hände entgegen; flehe ihn an für deine Kinder, die vor Hunger zusammenbrechen, draußen an allen Straßenecken!20 »Sieh doch, HERR, schau her zu mir! Bedenke, wem du das alles antust! Sollten Mütter ihre Kinder essen, die Kleinen, die sie auf Händen trugen? Durfte man Priester und Propheten töten, sogar in deinem Heiligtum? (3Mo 26,29)21 Hingestreckt in den Staub der Gassen liegen Kinder und alte Leute; meine Mädchen und jungen Männer sind dem Schwert zum Opfer gefallen. Am Tag, an dem dein Zorn mich traf, hast du sie mitleidslos hingeschlachtet.22 Alle Schrecken, die mich überfielen, riefst du wie zu einem Fest zusammen. An jenem Tag, HERR, als dein Zorn losbrach, blieb niemand verschont, ist keiner entkommen. Die Kinder, die ich aufzog und umsorgte – der Feind hat sie alle ausgelöscht.«

Klagelieder 2

Hoffnung für alle

von Biblica
1 Ach, der Zorn des Herrn liegt über Zion wie eine große, dunkle Wolke. Wie ein Stern vom Himmel auf die Erde stürzt, so verging Israels ganze Pracht. Im Zorn hat Gott selbst seinen Tempel verworfen, den Schemel, auf dem seine Füße einst ruhten.2 Erbarmungslos hat er die Häuser und Dörfer zerstört, in denen die Nachkommen von Jakob wohnten. Die befestigten Städte Judas hat er niedergerissen und seinem Zorn freien Lauf gelassen. Über das Königreich hat er Schande gebracht und die Mächtigen zu Boden gestürzt.3 Der Herr hat Israel aller Macht beraubt.[1] Als der Feind zum Angriff blies, zog er seine schützende Hand zurück. Er hat das Land in Brand gesteckt wie ein loderndes Feuer, das alles ringsum verzehrt.4 Er spannte seinen Bogen und stellte sich auf, die rechte Hand bereit zum Schuss. Wie ein Feind hat er alle getötet, die uns so lieb und teuer waren. Zion bekam seinen glühenden Zorn zu spüren, er goss ihn über die Häuser wie Feuer.5 Der Herr ist Israels Feind geworden: Er hat das Land in Schutt und Asche gelegt, alle prächtigen Paläste hat er zertrümmert, und die Städte machte er dem Erdboden gleich. So stürzte er die Bewohner Judas in immer tiefere Trauer und Leid.6 Der HERR hat seinen Tempel niedergerissen, als wäre er eine einfache Gartenhütte; den Ort, an dem wir uns vor ihm versammelten, hat er in seinem furchtbaren Zorn zerstört. Den Festtagen und Sabbatfeiern hat er ein Ende bereitet und selbst den König und die Priester verstoßen.7 Nun will er von seinem Tempel nichts mehr wissen, seinem heiligen Altar hat er den Rücken gekehrt. Die Feinde ließ er bis in die Paläste eindringen, die starken Mauern waren kein Hindernis mehr. Überall hört man ihren Lärm und Geschrei, selbst im Tempel klingt es laut wie an einem Fest.8 Der HERR hat den Untergang Zions beschlossen, kein Stein sollte auf dem anderen bleiben. Und so spannte er die Messschnur über sie, um sein vernichtendes Werk auszuführen. Er riss Mauern und Schutzwälle nieder, nun liegen sie allesamt in Trümmern da.9 Die Stadttore machte er dem Erdboden gleich, er brach die Riegel auf und zerschlug sie. Unseren König und seine Beamten schleppte man fort, sie müssen unter fremden Völkern ihr Leben fristen. Es ist niemand mehr da, der uns die Weisungen Gottes verkündigt, selbst die Propheten empfangen keine Visionen mehr vom HERRN.10 Die erfahrenen Männer sitzen stumm am Boden, das unsägliche Leid hat sie zum Schweigen gebracht. Sie haben sich Staub auf den Kopf gestreut und ihre Gewänder gegen Trauerkleider getauscht. Auch die Mädchen von Jerusalem sind verzweifelt, sie gehen mit gesenkten Köpfen umher.11 Ich weine mir fast die Augen aus, der Schmerz überwältigt mich, und es bricht mir das Herz, den Untergang meines Volkes mitzuerleben. Ich musste zusehen, wie Säuglinge und kleine Kinder auf den Plätzen der Stadt verhungerten.12 »Ich habe Hunger! Ich habe Durst!«, sagten sie flehend zu ihrer Mutter. Dann brachen sie mitten auf der Straße zusammen und blieben wie tödlich Verwundete liegen. Ihre Mutter hielt sie in den Armen, während ihr junges Leben erlosch.13 Ach, Jerusalem, was soll ich dir sagen? Hat es jemals ein solches Elend gegeben? Wie kann ich dich nur trösten, du geliebte Stadt meines Volkes? So tief wie das Meer sind deine Wunden. Wer könnte dich je wieder heilen?14 Zwar haben deine Propheten dir geweissagt, aber es war doch nichts als Lug und Trug; sie deckten deine Schuld nicht auf und wendeten das Unheil so nicht von dir ab. Mit ihren Botschaften haben sie dich betrogen und ein ums andere Mal in die Irre geführt.15 Jerusalem, wer nun an dir vorübergeht, hat nur noch Spott für dich übrig und schüttelt bei deinem Anblick den Kopf. Verächtlich lachend fragt einer den anderen: »Ist das die Stadt, die als vollendete Schönheit galt, eine Augenweide für die ganze Welt?«16 Deine Feinde ziehen über dich her und weiden sich an deinem Untergang: »Wir haben sie vernichtet!«, höhnen sie. »Auf diesen Tag haben wir lange gewartet, und nun ist er endlich da, wir haben unser Ziel erreicht!«17 Der HERR hat seine Pläne ausgeführt und hat die Drohung wahr gemacht, die er seit langer Zeit verkünden ließ. Erbarmungslos hat er dich zerstört, er schenkte deinen Feinden den Triumph und stärkte immer mehr ihre Macht[2].18 Zion, schrei laut zum Herrn, von jeder Mauer soll man es hören! Lass Tag und Nacht die Tränen fließen wie ein Bach, der niemals versiegt. Hör nicht auf zu weinen, ja, gönn dir keine Ruhe!19 Steh mitten in der Nacht auf, wenn alles außer dem Wächter noch schläft, und flehe unermüdlich zu Gott um Hilfe. Heb deine Hände zu ihm empor und schütte dein Herz bei ihm aus! Bestürme ihn mit deinen Bitten, damit er das Leben deiner Kinder verschont, die an allen Straßenecken verhungern.20 HERR, sieh doch die Menschen, über die du solches Leid gebracht hast! Wie konnte es nur so weit kommen, dass Frauen ihre geliebten Kinder essen? Bis in deinen heiligen Tempel drang die Gewalt, Priester und Propheten wurden dort totgeschlagen.21 Kinder und Greise liegen auf den Straßen, Mädchen und junge Männer aus meinem Volk – sie alle durchbohrt vom Schwert der Feinde. An dem Tag, als dein Zorn losbrach, hattest du kein Mitleid mit ihnen, sondern hast sie allesamt abgeschlachtet.22 Meine Feinde hast du zusammengerufen, sie eilten herbei wie zu einem Fest und verbreiteten überall Angst und Schrecken. Vor deinem Zorn, HERR, gab es kein Entrinnen! Meine Kinder, die ich mit viel Liebe großzog, sind nun dem Feind zum Opfer gefallen.

Klagelieder 2

Menge Bibel

1 Ach, wie hat doch der Herr in seinem Zorn die Tochter Zion umwölkt! Vom Himmel her hat er die Herrlichkeit Israels in den Staub geschleudert und des Schemels seiner Füße nicht gedacht am Tage seines Zorns!2 Schonungslos hat der Herr verwüstet alle Fluren Jakobs, hat in seinem Grimm niedergerissen die Burgen[1] der Tochter Juda, hat in den Staub geworfen und entweiht ihr Königtum und ihre Fürsten!3 In Zornesglut hat er zerschlagen Israels ganze Kraft, hat seine Rechte[2] vor dem Feinde zurückgezogen und Jakob in Brand gesetzt wie Feuerflammen, die ringsum alles verzehren.4 Seinen Bogen hat er gespannt wie ein Feind, hat mit seiner Rechten Stellung genommen wie ein Gegner und alles, was das Auge erfreute, vertilgt im Zelt der Tochter Zion: ausgegossen hat er seinen Grimm wie Feuer.5 Der Herr hat sich uns als Feind erwiesen, hat Israel vernichtet, vernichtet alle seine Paläste, zerstört seine Burgen[3] und bei der Tochter Juda aufgehäuft Seufzen und Geseufze[4].6 Er hat seinen Tempelplatz zerwühlt wie einen Garten, den Ort seiner Festversammlungen verwüstet. Der HERR hat in Zion Festfeiern und Sabbate in Vergessenheit gebracht und in seinem Zorneseifer verworfen den König und den Priester.7 Verschmäht hat der Herr seinen Altar, sein Heiligtum verworfen, hat dahingegeben in Feindeshand die Mauern ihrer[5] Paläste; sie haben im Hause des HERRN ein Geschrei erhoben wie an einem Festtage.8 Der HERR hatte beschlossen, die Mauer der Tochter Zion zu zerstören: er hat die Meßschnur über sie gezogen, seine Hand vom Verderben nicht zurückgehalten und in Trauer versetzt Wall und Mauer: kläglich liegen sie zusammen da!9 Zu Boden sind ihre Tore gesunken, ihre Riegel hat er zerbrochen und zerschlagen; ihr König und ihre Fürsten weilen jetzt unter den Heidenvölkern, die Rechtspflege ist dahin; auch ihre Propheten empfangen keine Offenbarung mehr vom HERRN.10 Schweigend sitzen am Boden die Ältesten der Tochter Zion, haben Staub auf ihr Haupt gestreut, sich mit Sacktuch[6] umgürtet; zu Boden haben ihr Haupt gesenkt die Jungfraun Jerusalems.11 Ich habe mir die Augen ausgeweint, mein Inneres wallt[7], das Herz ist mir gebrochen über den Untergang der Tochter meines Volkes, weil Kinder und Säuglinge verschmachten auf den Straßen der Stadt.12 Ihren Müttern rufen sie zu: »Wo ist Brot [und Wein]?« (und keins ist da:) Wie tödlich Verwundete verschmachten sie auf den Straßen der Stadt, während sie ihr Leben aushauchen an ihrer Mütter Brust.13 Was soll ich dir zur Ermutigung[8] vorhalten, womit dich vergleichen, Tochter Jerusalem? Was soll ich dir gleichstellen, um dich zu trösten, jungfräuliche Tochter Zion? Ach, groß wie das Meer ist dein Trümmerfeld[9]: wer könnte dich heilen?14 Deine Propheten haben dir Lüge und Trug geweissagt; deine Schuld haben sie nicht aufgedeckt, um dadurch dein Geschick zu wenden, sondern haben dir Sprüche geweissagt, die dich täuschten und ins Unglück brachten.15 Es schlagen über dich die Hände zusammen alle, die des Weges vorüberziehen; sie zischen und schütteln den Kopf über die Tochter Jerusalem: »Ist das die Stadt, die man nannte die Krone der Schönheit, die Wonne der ganzen Welt?«16 Über dich reißen alle deine Feinde den Mund weit auf; sie zischen und knirschen mit den Zähnen, sie rufen aus: »Wir haben sie verschlungen[10]! Ja, dies ist der Tag, den wir erhofften: wir haben ihn erreicht, erlebt!«17 Der HERR hat seinen Ratschluß ausgeführt, seine Drohung erfüllt, die er seit den Tagen der Vorzeit ausgesprochen hat: er hat niedergerissen ohne Erbarmen, hat den Feind über dich frohlocken lassen, den stolzen Sinn deiner Bedränger noch stolzer gemacht.18 Schreie laut zum Herrn, du jungfräuliche Tochter Zion! Laß deine Tränen wie einen Bach rinnen bei Tag und bei Nacht! Gönne dir keine Ruhe, laß deinen Augenstern nicht rasten!19 Auf, klage laut die Nacht hindurch beim Beginn jeder Nachtwache! Gieße dein Herz aus wie Wasser vor dem Angesicht des Herrn! Hebe deine Hände zu ihm empor für das Leben deiner Kindlein, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken!20 O HERR, schaue her und sieh darein: wem hast du je Gleiches getan? Dürfen Frauen ihre Leibesfrucht verzehren, die liebevoll gepflegten Kindlein? Dürfen im Heiligtum des Herrn gemordet werden Priester und Propheten?21 Am Boden hingestreckt liegen auf den Straßen Kinder und Greise; meine Jungfrauen und Jünglinge sind durchs Schwert gefallen: du hast sie am Tage deines Zornes niedermetzeln und ohne Erbarmen abschlachten lassen!22 Wie zu einem Festtag hast du die Insassen meiner Dörfer ringsum herbeigerufen[11], und es hat am Zornestage des HERRN keinen Entronnenen und Geretteten gegeben: alle, die ich liebevoll gepflegt und großgezogen, die hat mein Feind vernichtet!