1Hiob antwortete und sprach:2Hört doch meiner Rede zu und lasst mir das eure Tröstung sein!3Ertragt mich, dass ich rede, und danach spottet über mich!4Geht denn gegen einen Menschen meine Klage, oder warum sollte ich nicht ungeduldig sein?5Kehrt euch her zu mir; ihr werdet erstarren und die Hand auf den Mund legen müssen. (Hi 40,4)6Wenn ich daran denke, so erschrecke ich, und Zittern ergreift meinen Leib.7Warum bleiben die Frevler am Leben, werden alt und nehmen zu an Kraft? (Jer 12,1)8Ihr Geschlecht ist sicher um sie her, und ihre Nachkommen sind bei ihnen.9Ihr Haus hat Frieden ohne Furcht, und Gottes Rute ist nicht über ihnen.10Ihr Stier bespringt und es missrät nicht; ihre Kuh kalbt und wirft nicht fehl.11Ihre Knaben lassen sie hinaus wie eine Herde, und ihre Kinder springen umher.12Sie jauchzen mit Pauken und Harfen und sind fröhlich mit Flöten.13Sie werden alt bei guten Tagen, und still ziehen sie in das Totenreich hinab,14und doch sagen sie zu Gott: »Weiche von uns, wir wollen von deinen Wegen nichts wissen! (Hi 22,17)15Wer ist der Allmächtige, dass wir ihm dienen sollten? Oder was nützt es uns, wenn wir ihn anrufen?« (2Mo 5,2; 2Kön 18,35; Ps 12,5; Dan 3,15)16»Doch siehe, ihr Glück steht nicht in ihren Händen, und der Rat der Gottlosen ist ferne von mir.« (Ps 1,1)17Wie oft verlischt denn die Leuchte der Frevler und kommt ihr Unglück über sie? Teilt er Schmerzen zu in seinem Zorn,18dass sie werden wie Stroh im Wind und wie Spreu, die der Sturmwind mit sich nimmt? (Ps 1,4)19Spart Gott sein Unheil auf für die Kinder des Frevlers? Er vergelte es ihm selbst, dass er’s einsehe! (2Mo 20,5; Hi 20,10)20Mit eigenen Augen möge er sein Verderben sehen, und vom Grimm des Allmächtigen möge er trinken!21Denn was liegt ihm an seinem Hause, wenn er dahin ist, wenn die Zahl seiner Monde zu Ende ist?22Wer will Gott Weisheit lehren, der auch die Hohen richtet? (Pred 5,7)23Der eine stirbt frisch und gesund in allem Reichtum und voller Genüge,24sein Melkfass ist voll Milch, und sein Gebein wird gemästet mit Mark;25der andere aber stirbt mit verbitterter Seele und hat nie vom Glück gekostet,26miteinander liegen sie im Staub, und Gewürm deckt sie zu. (Hi 3,18)27Siehe, ich kenne eure Gedanken und eure Ränke, mit denen ihr mir Unrecht antut.28Denn ihr sprecht: »Wo ist das Haus des Fürsten, und wo ist die Hütte, in der die Frevler wohnten?«29Habt ihr nicht befragt, die des Weges kommen, und nicht auf ihre Zeichen geachtet,30dass der Böse erhalten wird am Tage des Verderbens und am Tage des Grimms bleibt?31Wer sagt ihm ins Angesicht, was er verdient? Wer vergilt ihm, was er getan hat?32Wird er doch zu Grabe geleitet, und man hält Wache über seinem Hügel!33Süß sind ihm die Schollen des Grabes, und alle Menschen ziehen ihm nach, und die ihm vorangehen, sind nicht zu zählen.34Wie tröstet ihr mich mit Nichtigkeiten, und von euren Antworten bleibt nichts als Trug!
1Ijob antwortete:2»Wenn ihr doch einmal richtig hören wolltet! Denn damit könntet ihr mich wirklich trösten!3Ertragt mich doch, gestattet mir zu reden; dann mögt ihr weiterspotten, wenn ihr wollt![1]4Beklag ich mich denn über einen Menschen? Warum verliere ich wohl die Geduld?5Seht mich doch an, dann werdet ihr erschaudern, ihr legt die Hand vor Schrecken auf den Mund.6Wenn ich dran denke, was geschehen ist, dann fang ich an, am ganzen Leib zu zittern.7Warum lässt Gott die Bösen weiterleben? Sie werden alt, die Kraft nimmt sogar zu. (Hi 12,6; Mal 3,14)8Gesichert wachsen ihre Kinder auf, mit Freuden sehen sie noch ihre Enkel.9Kein Unglück stört den Frieden ihrer Häuser, sie kriegen Gottes Geißel nie zu spüren.10Ihr Stier bespringt die Kühe nicht vergebens, die Kühe kalben leicht und ohne Fehlwurf.11Frei wie die Lämmer laufen ihre Kinder und ihre Jugend tanzt und springt vor Freude.12Sie singen laut zu Tamburin und Leier, sind voller Fröhlichkeit beim Klang der Flöte.13Im Glück verbringen sie ihr ganzes Leben und sterben einen sanften, schönen Tod.14›Lass uns in Ruhe‹, sagen sie zu Gott, ›von deinem Willen wollen wir nichts wissen! (Hi 22,17)15Bist du so mächtig? Müssen wir dir dienen? Was nützt es eigentlich, zu dir zu beten?‹16Sie glauben, ihres Glückes Schmied zu sein. Doch ihre Art zu denken liegt mir fern!17Wie oft hast du es eigentlich erlebt, dass es erloschen ist, das Licht der Bösen? Wie oft geschieht es, dass sie Unglück trifft? Hat Gott sie je in seinem Zorn gestraft? (Hi 18,5)18Wann sind sie denn wie Stroh im Wind gewesen? Wann hat der Sturm sie fortgeweht wie Spreu? (Ps 1,4)19Ihr habt gesagt, dass Gottes Strafgericht die Kinder für die Schuld des Vaters trifft. Das ist nicht recht! Den Vater soll es treffen; der Schuldige soll auch die Strafe tragen! (2Mo 20,5; 5Mo 24,16; Hi 20,10)20Er selbst soll seinen Untergang erleben und Gottes Zorn[2] am eigenen Leibe spüren!21Ob es den Kindern gut geht oder schlecht, das kümmert ihn nicht mehr nach seinem Tod.22Muss Gott vielleicht noch unterwiesen werden, er, der Gericht hält über Hoch und Niedrig?23Der eine bleibt gesund bis an sein Ende; dann stirbt er, frei von Sorgen und im Frieden,24der Körper wohlgenährt, die Glieder stark.25Der andere stirbt verbittert und enttäuscht, weil er vom Glück nichts abbekommen hat.26Nun liegen sie zusammen in der Erde, ein Heer von Würmern deckt sie beide zu.27Ich weiß genau, wie ihr jetzt weiterdenkt; euch geht’s ja nur darum, euch durchzusetzen.28›Was ist denn aus dem reichen Mann geworden?‹, fragt ihr. ›Was blieb denn noch von seinem Haus?‹29Habt ihr denn nie mit Reisenden gesprochen und nie gehört, was sie berichtet haben?[3]30Am Tag, wenn Gott Gericht hält voller Zorn, ist der Verbrecher stets in Sicherheit.31Wer wagt es, ihm sein Unrecht vorzuhalten? Wer zahlt ihm heim, was er verbrochen hat?32Mit allen Ehren trägt man ihn zum Friedhof, an seinem Grab hält man die Totenwacht.33Unübersehbar ist sein Leichenzug, sogar die Erde deckt ihn freundlich zu.34Doch ihr versucht, mir Trug als Trost zu bieten; denn jede Antwort, die ihr bringt, ist Schwindel!«
1Da erwiderte Hiob:2»Ach, hört mir doch einmal zu! Damit würdet ihr mich trösten!3Ertragt mich, wenn ich rede, und spottet hinterher weiter, wenn ihr wollt!4Ich trage doch meine Klage nicht einem sterblichen Menschen vor, darum habe ich allen Grund, ungeduldig zu sein!5Seht mich an! Lässt euch dieser Anblick kalt? Verschlägt es euch da nicht die Sprache?6Ich bin bis ins Innerste aufgewühlt, ich zittere am ganzen Leib, wenn ich über dieser Frage grüble:7Warum bleiben die Gottlosen am Leben, werden alt und immer mächtiger?8Ihre Kinder wachsen heran, und auch ihre Enkel haben sie ständig um sich.9Gott hält jedes Unglück von ihren Häusern fern; so leben sie in Frieden, ohne Angst.10Ihr Stier deckt die Kühe auf der Weide, und diese kalben ohne Fehlgeburt.11Ihre Kinder spielen draußen; sie springen herum wie die Lämmer, die Jüngsten tanzen fröhlich umher.12Man singt zu Tamburin und Laute und feiert beim Klang der Flöte.13Sie verbringen ihre Jahre glücklich und zufrieden und sterben einen sanften Tod.14Und Gott? ›Lass mich in Ruhe!‹, sagen sie zu ihm. ›Ich will von dir nichts wissen und nicht den Weg gehen, den du mir zeigst!15Wer ist schon Gott, dass ich ihm dienen sollte, was bringt es mir, wenn ich zu ihm bete?‹ –16Und doch: Ihr Glück liegt nicht in ihrer Hand. Von ihren üblen Reden halte ich mich fern! –17Wie oft geschieht’s denn, dass ihr Licht verlöscht, das Licht der Menschen, die Gott verachten? Wie oft holt sie das Unheil ein? Wann trifft sie jemals Gottes Zorn?18Wann endlich sind sie wie Spreu im Wind, wie ein Strohhalm, den der Sturm wegwirbelt?19Ihr sagt: ›Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Gott straft stattdessen ihre Kinder!‹ Nein! Sie selbst sollen Gottes Strafe spüren!20Mit eigenen Augen sollen Übeltäter ihr Verderben sehen, vom Zorn des Allmächtigen bis zur bitteren Neige kosten!21Denn was kümmert sie das Schicksal ihrer Kinder, wenn ihr eigenes Leben abgelaufen ist?22Gott richtet selbst die höchsten Engel[1]. Wer unter uns will ihn da noch belehren?23Der eine stirbt, noch voll bei Kräften, hat sicher und sorglos gelebt.24Seine Melkeimer flossen stets über von frischer Milch; er selbst war gesund und wohlgenährt.25Der andere stirbt einsam und verbittert, er hat sein Leben lang nicht eine Spur von Glück gesehen.26Nun liegen sie beide unter der Erde, werden beide von Würmern zerfressen!27Ich weiß genau, was ihr jetzt denkt, mit welchen Vorurteilen ihr mir unrecht tut!28Ihr sagt: ›Wo ist es geblieben, das Haus des Tyrannen? Von der Bleibe der Gottlosen ist nichts mehr zu sehen!‹29Doch habt ihr noch nie mit Reisenden gesprochen, die weit herumgekommen sind, und noch nie gehört, was sie erzählten:30dass der Böse verschont wird, wenn Gott in seinem Zorn Gericht hält? Er kommt mit heiler Haut davon!31Wer sagt ihm ins Gesicht, was er getan hat? Wer bestraft ihn, wie er es verdient? Keiner!32Nach seinem Tod wird er mit allen Ehren beigesetzt; an seinem Grab hält man noch Ehrenwache!33Unübersehbar ist sein Leichenzug, der ihn zur letzten Ruh’ geleitet, und Heimaterde deckt ihn freundlich zu.34Wollt ihr mich mit blankem Schwindel trösten? Jede Antwort, die ihr gebt, ist eine glatte Lüge!«
Hiob 21
Menge Bibel
1Darauf antwortete Hiob folgendermaßen:2»Hört, o höret an, was ich zu sagen habe! Das soll mir eure Tröstungen ersetzen!3Erlaubt mir, daß ich rede, und nachdem ich gesprochen habe, magst du es bespötteln!4Richtet sich meine Klage etwa gegen Menschen? Oder warum sollte ich nicht ungeduldig werden?5Wendet euch her zu mir, so werdet ihr euch entsetzen und euch die Hand auf den Mund legen!6Wenn ich bloß daran denke, gerate ich in Bestürzung, und ein Schauder überläuft meinen Leib!«7»Warum bleiben die Frevler am Leben, werden alt, nehmen sogar an Kraft zu?8Ihr Nachwuchs steht bei fester Gesundheit vor ihnen, ja neben ihnen, und deren Sprößlinge vor ihren Augen.9Ihre Häuser stehen ungefährdet da, ohne Furcht vor Schrecknis, und Gottes Zuchtrute fährt nicht auf sie nieder.10Sein Stier belegt und befruchtet sicher, seine Kuh kalbt leicht und tut keine Fehlgeburt.11Ihre Buben lassen sie wie eine Herde Lämmer ausziehen, und ihre kleineren Kinder hüpfen tanzend umher;12sie singen laut zur Pauke und Zither und sind vergnügt beim Klang der Schalmei.13Sie verbringen im Wohlergehen ihre Tage und fahren in Ruhe zum Totenreich hinab[1].14Und doch haben sie zu Gott gesagt: ›Bleibe fern von uns; denn nach der Erkenntnis deiner Wege tragen wir kein Verlangen.15Was ist der Allmächtige, daß wir ihm dienen sollten? Und könnte es uns nützen, daß wir ihn mit Bitten angehen?‹«16»Seht, ihr Wohlergehen liegt allerdings nicht in ihrer Hand – die Denkweise der Frevler steht mir fern! –,17aber wie oft kommt es denn vor, daß die Leuchte der Frevler erlischt und ihr Verderben über sie hereinbricht? Daß Gott ihnen die Lose gemäß seinem Zorn zuteilt?18Daß es ihnen ergeht wie dem Strohhalm vor dem Wind und wie der Spreu, die der Sturm entführt hat?19›Gott spart‹, sagt ihr, ›sein Unheil für die Kinder des Frevlers auf‹ – doch ihm selber sollte er vergelten, daß er es fühlte!20Sehen müßten seine eigenen Augen das Verderben, und er selbst sollte von der Zornglut des Allmächtigen trinken!21Denn was wird er sich noch um seine Familie nach seinem Tode kümmern, nachdem die Zahl seiner Monde abgeschnitten[2] ist?22Doch – darf man Gott Erkenntnis lehren, ihn, der die himmlischen (Geister) richtet?23Der eine stirbt im Vollbesitz des Glücks, ganz sorgenfrei und in Ruhe:24seine Kufen sind mit Milch gefüllt, und so ist das Mark in seinen Knochen wohlversorgt;25der andere aber stirbt in bitterem Herzeleid, ohne je vom Glück etwas geschmeckt zu haben:26gleicherweise liegen sie in der Erde, und Gewürm legt sich als Decke über beide.«27»Seht, ich kenne eure Gedanken wohl und die Anschläge, mit denen ihr mir Gewalt antut.28Wenn ihr sagt: ›Wo ist das Haus des Gewaltmenschen geblieben und wo das Zelt, in welchem die Frevler wohnten?‹ –29habt ihr euch denn noch nie bei den weitgereisten[3] Leuten erkundigt, deren beweiskräftige Aussagen ihr doch nicht verwerfen könnt:30daß am Unglückstage der Böse verschont bleibt und am Tage des (göttlichen) Zorngerichts heil davonkommt?31Wer hält ihm auch nur seinen Lebenswandel unverhohlen vor? Und hat er etwas verübt, wer vergilt es ihm?32Nein, man gibt ihm noch das feierliche Geleit zur Gräberstätte und hält über seinem Grabhügel noch Wache.33Sanft liegen auf ihm die Schollen des Tales, und hinter ihm her zieht alle Welt, wie Unzählige ihm vorangegangen sind.34Wie mögt ihr mir da so nichtigen Trost bieten? Und eure Entgegnungen – von denen bleibt nur Treubruch übrig!«