1Im dritten Jahr der Herrschaft des Königs Belschazzar hatte ich, Daniel, eine Vision, nach jener anderen, die ich früher gehabt hatte. (Dan 7,1)2Ich hatte eine Vision, und während ich sie sah, befand ich mich in der Burg Susa, die in der Provinz Elam liegt, am Ulai-Kanal.3Ich blickte auf und sah, wie ein Widder am Kanal stand; er hatte zwei Hörner. Beide Hörner waren sehr hoch; doch das eine war noch höher als das andere und das höhere wuchs ihm zuletzt.4Ich sah, wie der Widder nach Westen, Norden und Süden stieß; kein Tier hielt ihm stand und es gab keinen, der sich aus seiner Gewalt retten konnte. Er tat, was er wollte, und machte sich groß.5Dann bemerkte ich einen Ziegenbock; er überquerte von Westen her die ganze Erde, ohne aber den Boden zu berühren; der Bock hatte ein auffallendes Horn zwischen den Augen.6Er lief zu dem Widder mit den zwei Hörnern, den ich am Kanal stehen sah, und rannte mit grimmiger Kraft auf ihn los.7Ich sah, wie er auf den Widder losging und ihm wütend zusetzte. Er stieß gegen den Widder und brach ihm beide Hörner ab. Der Widder hatte nicht die Kraft, ihm standzuhalten. Da warf der Ziegenbock ihn zu Boden und zertrat ihn; und niemand war da, um den Widder aus seiner Gewalt zu retten.8Der Ziegenbock wurde über die Maßen groß. Als er aber am stärksten war, brach das große Horn ab. An seiner Stelle wuchsen ihm vier auffallende Hörner, und zwar nach den vier Himmelsrichtungen. (Dan 7,8)9Aus einem ging dann ein anderes Horn hervor. Anfangs klein, wurde es überaus groß, gegen Süden und gegen Osten und gegen die Zierde.10Und es wuchs bis zum Himmelsheer und warf einige vom Heer und von den Sternen zur Erde herab und zertrat sie.11Sogar bis zum Fürsten des Himmelsheeres reckte es sich empor; es entzog ihm das tägliche Opfer und verwüstet wurde sein Heiligtum. (Dan 9,27; Dan 11,31)12Ein Heer wurde verbrecherisch gegen das tägliche Opfer eingesetzt. Es warf die Wahrheit zu Boden, und was es tat, gelang ihm.13Da hörte ich einen Heiligen reden und ein anderer Heiliger fragte den Redenden: Wie lange gilt die Vision vom täglichen Opfer, wie lange bleibt der Gräuel der Verwüstung bestehen und werden das Heiligtum und der Ort der Zierde zertreten? (Dan 12,6)14Er sagte zu mir: Zweitausenddreihundert Abende und Morgen wird es dauern; dann erhält das Heiligtum wieder sein Recht. (Dan 7,25)15Während ich, Daniel, noch diese Vision hatte und sie zu verstehen suchte, da stand vor mir einer, der aussah wie ein Mann. (Dan 9,21)16Und über dem Ulai-Kanal hörte ich eine Menschenstimme, die rief: Gabriel, erkläre ihm die Vision! (Lk 1,19)17Da kam er auf mich zu. Als er nähertrat, erschrak ich und fiel mit dem Gesicht zu Boden. Er sagte zu mir: Mensch, versteh: Die Vision betrifft die Zeit des Endes. (Dan 10,15)18Während er mit mir redete, lag ich ohnmächtig da, mit dem Gesicht am Boden. Da berührte er mich und stellte mich wieder auf die Beine. (Hes 2,1; Offb 1,17)19Dann sagte er: Siehe, ich kündige dir an, was in der letzten Zeit, der Zeit des Zorns, geschehen wird; denn die Vision bezieht sich auf die Zeit des Endes.20Der Widder mit den zwei Hörnern, den du gesehen hast, bedeutet die Könige von Medien und Persien.21Der Ziegenbock ist der König von Jawan. Das große Horn zwischen seinen Augen ist der erste König.22Das Horn brach ab und vier andere traten an seine Stelle; das bedeutet: Aus seinem Volk entstehen vier Reiche; sie haben aber nicht die gleiche Kraft wie er.23In der letzten Zeit ihrer Herrschaft, wenn die Frevler ihr Maß vollgemacht haben, kommt ein König voll Härte und Verschlagenheit. (Dan 11,21)24Er wird mächtig und stark und richtet ungeheures Verderben an; alles, was er unternimmt, gelingt ihm. Mächtige Herrscher wird er vernichten, auch das Volk der Heiligen. (Dan 7,18)25Dank seiner Schlauheit gelingt ihm sein Betrug. Er wird überheblich und bringt über viele unversehens Verderben. Selbst gegen den Fürsten der Fürsten steht er auf; doch ohne Zutun eines Menschen wird er zerschmettert.26Die Vision von den Abenden und den Morgen, die dir offenbart wurde, ist wahr; doch du sollst sie geheim halten; denn sie bezieht sich auf eine ferne Zeit. (Dan 12,4; Offb 22,6)27Darauf war ich, Daniel, erschöpft und lag mehrere Tage krank danieder. Dann stand ich wieder auf und versah meinen Dienst beim König. Doch die Vision bedrückte mich und ich verstand sie nicht.
Eine zweite Vision: Der Zweikampf zwischen Widder und Ziegenbock
1Im dritten Regierungsjahr des Königs Belschazzar hatte ich, Daniel, wieder eine Vision. (Dan 7,1)2In der Vision sah ich mich in der Residenzstadt Susa in der Provinz Elam, und zwar in der Nähe des Ulai-Kanals. (Neh 1,1; Est 1,2)3Als ich genauer hinsah, stand da am Wasser ein Widder mit zwei mächtigen Hörnern. Das eine Horn war größer als das andere, obwohl es erst nach dem anderen gewachsen war.4Ich sah, wie der Widder mit den Hörnern nach Westen, Norden und Süden stieß. Kein anderes Tier konnte sich gegen ihn behaupten, niemand konnte es mit ihm aufnehmen. Darum durfte er sich alles erlauben und wurde immer mächtiger.5Während ich den Widder beobachtete, kam plötzlich ein Ziegenbock von Westen. Er flog nur so über die Erde, ohne den Boden zu berühren; zwischen den Augen trug er ein einziges, starkes Horn.6-7Als er bei dem Widder am Wasser angekommen war, stürzte er sich wutentbrannt auf ihn. Der Zorn gab ihm solche Kraft, dass er dem Widder beide Hörner abbrach. Der Widder konnte ihm nicht standhalten; da ihm niemand zu Hilfe kam, warf der Bock ihn zu Boden und zertrampelte ihn.8Der Ziegenbock wurde immer mächtiger, aber auf dem Höhepunkt seiner Macht brach sein großes Horn ab. An seiner Stelle wuchsen vier kräftige Hörner, jedes nach einer anderen Himmelsrichtung.9Aus einem von ihnen kam ein weiteres Horn hervor, zunächst ganz klein, aber dann wuchs es gewaltig nach Osten und auch nach Süden zum Heiligen Land hin.[1] (Dan 7,8; 1Mak 1,10; 1Mak 1,17; 1Mak 3,37)10Dann wuchs es bis zum Heer des Himmels hinauf, es warf einige von dem Heer und von den Sternen auf die Erde und zertrat sie. (Dan 11,37)11Sogar bis zum Herrn des Himmelsheeres[2] drang es vor; es nahm ihm das tägliche Abend- und Morgenopfer weg und entweihte sein Heiligtum. (Dan 12,11)12In frevelhafter Weise setzte es einen anderen Opferdienst an die Stelle des täglichen Opfers und warf so die Wahrheit zu Boden. Alles, was es unternahm, gelang ihm.[3]13Da hörte ich zwei Engel miteinander reden. Der eine fragte: »Wie lange soll das dauern, was in der Vision zu sehen war, dass die täglichen Opfer unterbunden werden und das Heiligtum durch frevelhafte Entweihung verödet? Wie lange darf er ungestraft die Macht des Himmels herausfordern?«14Ich hörte den anderen Engel antworten: »Zweitausenddreihundert Mal wird kein Abend- und Morgenopfer dargebracht. Erst dann wird die Ordnung des Heiligtums wiederhergestellt.« (Dan 7,25; Dan 12,11)
Die Deutung der Vision vom Widder und vom Ziegenbock
15Während ich über den Sinn dieser Vision nachgrübelte, sah ich plötzlich jemand dastehen, der wie ein Mann aussah.16Und ich hörte über dem Ulai-Kanal eine Stimme, die ihm zurief: »Gabriel! Erkläre ihm, was er geschaut hat!« (Dan 9,21; Lk 1,19; Lk 1,26)17Der Engel Gabriel trat auf mich zu und ich erschrak darüber so sehr, dass ich zu Boden stürzte. Er sagte zu mir: »Du Mensch, du hast geschaut, was in der letzten Zeit geschehen wird.« (Hes 1,28; Dan 10,8; Offb 1,17)18Während er das sagte, lag ich wie betäubt am Boden, mit dem Gesicht zur Erde. Der Engel fasste mich bei der Hand und richtete mich auf.19Dann sagte er: »Ich enthülle dir jetzt, was geschehen wird, wenn das Strafgericht Gottes seinen abschließenden Höhepunkt erreicht. Denn es geht bei dem, was du geschaut hast, um die Zeit, in der das Ende kommt.20Der Widder mit den beiden Hörnern ist das Reich der Meder und Perser,21der zottige Ziegenbock das Reich der Griechen. Das große Horn zwischen den Augen des Ziegenbocks ist der erste König des Griechenreiches. (Dan 11,3)22Dass das Horn abbricht und an seiner Stelle vier andere Hörner nachwachsen, bedeutet: Aus dem einen Reich werden vier Reiche entstehen, die jedoch nicht so mächtig sind wie das eine.23Wenn die Zeit dieser Reiche zu Ende geht und das Maß ihrer Untaten voll ist, wird ein anmaßender und hinterlistiger König auftreten. (Dan 8,9; Dan 11,21)24Seine Macht wird groß sein, aber nicht durch eigene Kraft. Alles, was er unternimmt, wird ihm gelingen. Mächtige Gegner wird er vernichten, er wird aber auch gegen das heilige Volk Gottes vorgehen und unerhörte Zerstörungen anrichten.25Er wird dabei so geschickt vorgehen, dass er mit seinen Täuschungen Erfolg hat. Er wird überheblich werden und viele ahnungslose Menschen umbringen. Aber weil er sich gegen den höchsten Herrn erhebt, wird er ohne menschliches Zutun vernichtet werden.26Auch was du über die Abend- und Morgenopfer gehört hast, wird eintreffen. Halte geheim, was du geschaut hast; denn es betrifft eine ferne Zukunft.« (Dan 8,11; Dan 12,4)27Ich, Daniel, war ganz zerschlagen und lag tagelang krank. Als ich wieder aufstehen konnte, nahm ich meinen Dienst beim König wieder auf; aber meine Vision ließ mir keine Ruhe, denn ich konnte sie immer noch nicht begreifen. (Dan 7,28)