2.Samuel 19

Neue evangelistische Übersetzung

von Karl-Heinz Vanheiden
1 Da durchfuhr es den König, und er stieg weinend in die Wachstube über dem Tor hinauf. „Mein Sohn Abschalom! Mein Sohn Abschalom!“, rief er im Gehen. „Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben! Abschalom, mein Sohn, mein Sohn!“2 Man berichtete Joab: „Schau, der König weint und trauert um Abschalom.“3 So wurde der Sieg an diesem Tag zur Trauer für das Volk, denn es hatte sich herumgesprochen: „Der König grämt sich um seinen Sohn.“4 Da stahlen sich an diesem Tag die Kämpfer in die Stadt, wie Männer sich davonstehlen, wenn sie sich schämen, weil sie in der Schlacht geflohen sind.5 Der König hatte sein Gesicht verhüllt und schrie immer wieder: „Mein Sohn Abschalom! Abschalom, mein Sohn, mein Sohn!“6 Da kam Joab zum König ins Haus und sagte: „Du hast heute alle deine Diener schwer beleidigt. Dabei haben sie dir, deinen Söhnen und Töchtern, deinen Frauen und Nebenfrauen das Leben gerettet!7 Du beschämst sie, wenn du liebst, die dich hassen, und hasst, die dich lieben. Du hast heute deutlich gemacht, dass dir deine Oberen und Diener nichts bedeuten. Ja, ich sehe jetzt: Es wäre dir ganz recht, wenn Abschalom noch am Leben wäre, wir alle aber tot!8 Steh jetzt auf, geh hinaus und rede zum Herzen deiner Leute! Denn bei Jahwe schwöre ich dir: Wenn du nicht gleich hinausgehst, dann bleibt heute Nacht nicht ein Mann bei dir! Und das wäre schlimmer für dich als alles, was seit deiner Jugendzeit über dich gekommen ist.“9 Da erhob sich der König und setzte sich ins Tor. Als man den Männern berichtete: „Seht, der König sitzt im Tor!“, kamen sie alle vor den König.10 Die Israeliten waren inzwischen nach Hause geflohen. Und nun stritten sie sich in ihren Stämmen. Sie sagten: „Der König hat uns aus der Gewalt unserer Feinde befreit, auch vor den Philistern hat er uns gerettet. Und jetzt ist er vor Abschalom aus dem Land geflohen.11 Doch Abschalom, den wir zum König über uns gesalbt hatten, ist tot. Warum zögert ihr jetzt, den König zurückzuholen?“12 Auch König David hatte den Priestern Zadok und Abjatar sagen lassen: „Richtet den Ältesten von Juda aus: 'Warum wollt ihr die Letzten sein, die daran denken, den König in sein Haus zurückzuholen, wo doch schon von ganz Israel der Wunsch an den König herangetragen wurde?13 Ihr seid doch meine Brüder, mein eigenes Fleisch und Blut! Warum wollt ihr die Letzten sein, den König zurückzuholen?'14 Und zu Amasa sollt ihr sagen: 'Bist du nicht mein eigenes Fleisch und Blut? Gott möge mir dies und jenes antun, wenn du nicht von jetzt ab und für immer an Joabs Stelle Heerführer sein wirst.'“15 So stimmte er das Herz aller Männer von Juda um. Sie traten geschlossen auf seine Seite und ließen dem König ausrichten: „Komm bitte mit all deinen Leuten zu uns zurück!“16 Da kehrte der König zurück und kam bis an den Jordan. Die Männer von Juda waren ihm bis Gilgal entgegengekommen, um ihn über den Jordan zu geleiten.17 Schimi Ben-Gera, der Benjaminit aus Bahurim, eilte zusammen mit den Männern von Juda herbei, um David zu empfangen.18 Tausend Männer waren mit ihm gekommen, darunter auch Ziba, der Gefolgsmann Sauls, mit seinen fünfzehn Söhnen und zwanzig Dienern. Noch bevor der König kam, waren sie durch den Jordan gewatet19 und halfen nun, den ganzen Haushalt des Königs über den Fluss zu führen und alles zu tun, was der König für gut hielt. Als David gerade den Jordan überqueren wollte, fiel Schimi Ben-Gera vor ihm nieder.20 Er sagte zum König: „Bitte, mein Herr, rechne mir die Schuld nicht an und denk nicht mehr daran, wie ich, dein Diener, mich verfehlt habe, als mein Herr und König aus Jerusalem auszog. Der König möge es sich nicht zu Herzen nehmen!21 Denn dein Diener hat erkannt: 'Ja, ich habe gesündigt!' Halte es mir bitte zugute, dass ich heute als Erster vom Haus Josefs gekommen bin, um meinen Herrn, den König, zu empfangen.“22 Da erwiderte Abischai Ben-Zeruja: „Soll Schimi etwa nicht getötet werden? Er hat doch den Gesalbten Jahwes verflucht!“23 David aber sagte: „In was wollt ihr mich da hineinziehen, ihr Söhne der Zeruja? Wollt ihr heute als Ankläger auftreten? Soll heute ein Mann in Israel getötet werden? Weiß ich denn nicht, dass ich heute König über Israel geworden bin?“24 Der König sagte zu Schimi: „Du musst nicht sterben!“ Und er schwor es ihm.25 Auch Mefi-Boschet, der Nachkomme Sauls, kam dem König entgegen. Seit dem Tag, als der König weggegangen war, bis zum Tag, an dem er in Frieden zurückkehren würde, hatte er seine Füße nicht zurechtgemacht, seinen Bart nicht gepflegt und seine Kleidung nicht gewaschen.26 Als er dem König von Jerusalem aus entgegenkam, sagte dieser zu ihm: „Warum bist du nicht mit mir gekommen, Mefi-Boschet?“27 „Mein Herr und König“, erwiderte dieser, „mein Diener hat mich betrogen! Denn dein Diener hatte sich gesagt: 'Ich will mir den Esel satteln lassen und mit dem König ziehen!' Dein Diener ist ja gelähmt.28 Aber der da hat deinen Diener bei meinem Herrn und König verleumdet. Doch mein Herr, der König, ist wie der Engel Gottes. Tu mit mir, was du für richtig hältst!29 Alle, die zu meinem Vaterhaus gehören, hätten damit rechnen müssen, von dir getötet zu werden. Doch du hast deinen Diener zu denen gesetzt, die an deinem Tisch essen. Welches Recht hätte ich denn, noch etwas vom König zu erbitten?“30 Da sagte der König zu ihm: „Was redest du noch von deiner Sache? Ich bestimme, dass du mit Ziba den Landbesitz teilst.“31 „Er kann ruhig alles nehmen!“, erwiderte Mefi-Boschet dem König. „Hauptsache ist, dass mein Herr und König in Frieden wieder nach Hause gekommen ist!“32 Barsillai war aus Roglim in Gilead gekommen und mit dem König bis an den Jordan gegangen, um ihn dort zu verabschieden.33 Er war ein sehr reicher Mann und hatte den König versorgt, als dieser sich in Mahanajim aufhielt. Mit seinen 80 Jahren war er aber schon sehr alt.34 Der König sagte zu ihm: „Geh mit mir hinüber, und ich werde dich bei mir in Jerusalem versorgen!“35 Doch Barsillai erwiderte: „Wie lange habe ich wohl noch zu leben, dass ich mit dem König nach Jerusalem hinaufziehen sollte?36 Ich bin heute schon 80 Jahre alt, da macht es keinen Unterschied mehr, ob etwas gut oder schlecht für mich ist. Kann dein Diener denn noch schmecken, was er isst oder trinkt? Kann ich etwa noch auf die Stimmen der Sänger und Sängerinnen hören? Wozu sollte ich meinem Herrn und König noch zur Last fallen?37 Nur für kurze Zeit könnte dein Diener mit dem König über den Jordan gehen. Warum sollte der König mir das so reich vergelten?38 Lass mich umkehren und in meiner Stadt sterben, beim Grab meines Vaters und meiner Mutter! Aber schau, hier ist dein Diener Kimham! Der mag mit meinem Herrn und König hinübergehen. Tu an ihm, was du für richtig hältst!“39 „Gut“, sagte der König, „Kimham soll mit mir hinübergehen und ich werde für ihn tun, was du willst. Und wenn du noch etwas von mir möchtest, will ich es gern für dich tun!“40 Davids Truppen waren schon über den Jordan gezogen. Nun ging auch der König hinüber, nachdem er Barsillai geküsst und gesegnet hatte. Barsillai kehrte nach Hause zurück.41 Der König zog weiter nach Gilgal. Kimham ging mit ihm. Das ganze Volk von Juda und die Hälfte des Volkes Israel gaben dem König das Geleit.42 Da kamen die Männer von Israel zum König und beschwerten sich. „Weshalb haben unsere Brüder, die Männer von Juda, dich gestohlen?“, sagten sie. „Warum durften sie den König und seine Familie und alle seine Leute über den Jordan führen?“43 Die Männer Judas erwiderten den Männern Israels: „Weil uns der König nähersteht! Warum regt ihr euch darüber auf? Haben wir etwa ein Stück vom König gegessen, oder hat er uns irgendein Geschenk gemacht?“44 Aber die Männer von Israel erwiderten: „Wir haben zehn Anteile am König, und auch an David haben wir einen größeren Anteil als ihr! Warum habt ihr uns übergangen? Haben wir nicht zuerst daran gedacht, den König zurückzuholen?“ Da wurde das Reden der Männer von Juda noch härter als das der Israeliten.

2.Samuel 19

Lutherbibel 2017

von Deutsche Bibelgesellschaft
1 Da erbebte der König und ging hinauf in das Obergemach des Tores und weinte, und im Gehen rief er: Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!2 Und es wurde Joab angesagt: Siehe, der König weint und trägt Leid um Absalom.3 So wurde aus dem Sieg an diesem Tag eine Trauer unter dem ganzen Kriegsvolk; denn das Volk hatte an diesem Tage gehört, dass sich der König um seinen Sohn gräme.4 Und das Kriegsvolk stahl sich weg an diesem Tage in die Stadt, wie sich Kriegsvolk wegstiehlt, das sich schämen muss, weil es im Kampf geflohen ist.5 Der König aber hatte sein Angesicht verhüllt und schrie laut: Ach, mein Sohn Absalom! Absalom, mein Sohn, mein Sohn!6 Joab aber kam zum König ins Haus und sprach: Du hast heute schamrot gemacht alle deine Knechte, die dir heute das Leben gerettet haben und deinen Söhnen, deinen Töchtern, deinen Frauen und Nebenfrauen,7 weil du lieb hast, die dich hassen, und hasst, die dich lieb haben. Denn du lässt heute merken, dass dir nichts gelegen ist an den Hauptleuten und Knechten. Ja, ich merke heute wohl: Wenn nur Absalom lebte und wir heute alle tot wären, das wäre dir recht.8 So mache dich nun auf und komm heraus und rede mit deinen Knechten freundlich. Denn ich schwöre dir bei dem HERRN: Wirst du nicht herauskommen, so wird kein Mann bei dir bleiben diese Nacht. Das wird für dich ärger sein als alles Übel, das über dich gekommen ist von deiner Jugend auf bis hierher.9 Da stand der König auf und setzte sich ins Tor. Und man sagte es allem Kriegsvolk: Siehe, der König sitzt im Tor. Da kam alles Volk vor den König. Als Israel geflohen war, ein jeder zu seinen Zelten,10 stritt sich alles Volk in allen Stämmen Israels, und sie sprachen: Der König hat uns errettet aus der Hand unserer Feinde und uns erlöst aus der Hand der Philister und hat jetzt aus dem Lande fliehen müssen vor Absalom.11 Aber Absalom, den wir über uns gesalbt hatten, ist gefallen im Kampf. Warum seid ihr nun so still und holt den König nicht wieder zurück?12 Es kam aber die Rede ganz Israels vor den König. Und der König sandte zu den Priestern Zadok und Abjatar und ließ ihnen sagen: Redet mit den Ältesten in Juda und sprecht: Warum wollt ihr die Letzten sein, den König zurückzuholen in sein Haus?13 Ihr seid meine Brüder, von meinem Gebein und Fleisch; warum wollt ihr denn die Letzten sein, den König zurückzuholen? (1Mo 29,14; 2Sam 5,1)14 Und zu Amasa sprecht: Bist du nicht von meinem Gebein und Fleisch? Gott tue mir dies und das, wenn du nicht Feldhauptmann sein sollst vor mir dein Leben lang an Joabs statt. (2Sam 17,25; 2Sam 20,4; 1Kön 2,5)15 Und er wandte das Herz aller Männer Judas wie eines Mannes Herz, und sie sandten hin zum König: Komm zurück, du und alle deine Knechte!16 So kam der König zurück. Und als er an den Jordan kam, waren die Männer Judas nach Gilgal gekommen, um dem König entgegenzuziehen und den König über den Jordan zu führen.17 Und Schimi, der Sohn Geras, der Benjaminiter, der in Bahurim wohnte, zog eilends mit den Männern von Juda hinab dem König David entgegen (2Sam 16,5; 1Kön 2,8; 1Kön 2,36)18 und mit ihm tausend Mann von Benjamin, dazu auch Ziba, der Knecht des Hauses Saul, mit seinen fünfzehn Söhnen und zwanzig Knechten, und sie gelangten an den Jordan, bevor der König kam, (2Sam 9,2; 2Sam 9,10; 2Sam 16,1)19 und durchschritten die Furt, damit sie das Haus des Königs hinüberführten und täten, was ihm gefiele. Schimi aber, der Sohn Geras, fiel vor dem König nieder, als dieser über den Jordan gehen wollte,20 und sprach zum König: Mein Herr rechne es mir nicht als Schuld an und denke nicht mehr daran, dass dein Knecht sich an dir vergangen hat an dem Tage, da mein Herr, der König, aus Jerusalem ging, und der König nehme es nicht zu Herzen.21 Denn dein Knecht erkennt, dass ich gesündigt habe. Und siehe, ich bin heute als Erster vom ganzen Hause Josef gekommen, dass ich meinem Herrn, dem König, entgegenzöge.22 Aber Abischai, der Sohn der Zeruja, hob an und sprach: Sollte Schimi nicht sterben, da er doch dem Gesalbten des HERRN geflucht hat?23 David aber sprach: Was hab ich mit euch zu schaffen, ihr Söhne der Zeruja, dass ihr mir heute zum Satan werden wollt? Sollte heute jemand sterben in Israel? Meinst du, ich wisse nicht, dass ich heute wieder König über Israel geworden bin? (2Sam 16,10)24 Und der König sprach zu Schimi: Du sollst nicht sterben. Und der König schwor es ihm. (1Kön 2,8)25 Mefi-Boschet, der Sohn Sauls, kam auch herab, dem König entgegen. Und er hatte seine Füße und seinen Bart nicht gereinigt und seine Kleider nicht gewaschen von dem Tage an, da der König weggegangen war, bis zu dem Tag, da er wohlbehalten zurückkäme. (2Sam 9,1; 2Sam 16,1)26 Als er nun nach Jerusalem kam, dem König zu begegnen, sprach der König zu ihm: Warum bist du nicht mit mir gezogen, Mefi-Boschet?27 Und er sprach: Mein Herr und König, mein Knecht hat mich betrogen. Dein Knecht dachte: Ich will einen Esel satteln und darauf reiten und zum König ziehen, denn dein Knecht ist lahm.28 Dazu hat er deinen Knecht verleumdet vor meinem Herrn, dem König. Aber mein Herr, der König, ist wie der Engel Gottes; tu, was dir wohlgefällt. (2Sam 14,17; 2Sam 16,3)29 Meines Vaters ganzes Haus hätte ja den Tod erleiden müssen von meinem Herrn, dem König; du aber hast deinen Knecht gesetzt unter die, die an deinem Tisch essen. Was hab ich weiter für Recht oder Anspruch, zum König um Hilfe zu schreien? (2Sam 9,7)30 Der König sprach zu ihm: Was redest du noch weiter? Nun bestimme ich: Du und Ziba, teilt das Ackerland miteinander. (2Sam 9,9; 2Sam 16,3)31 Mefi-Boschet sprach zum König: Er nehme ihn auch ganz, nachdem mein Herr und König wohlbehalten heimgekommen ist.32 Und Barsillai, der Gileaditer, kam herab von Roglim und zog mit dem König an den Jordan, um ihn über den Jordan zu geleiten. (2Sam 17,27; 1Kön 2,7)33 Und Barsillai war sehr alt, achtzig Jahre. Er hatte den König versorgt, als er in Mahanajim war; denn er war ein Mann von großem Vermögen.34 Und der König sprach zu Barsillai: Du sollst mit mir ziehen, ich will dich versorgen bei mir in Jerusalem.35 Aber Barsillai sprach zum König: Was ist’s noch, das ich zu leben habe, dass ich mit dem König hinaufziehen sollte nach Jerusalem?36 Ich bin heute achtzig Jahre alt. Wie kann ich noch unterscheiden, was gut oder böse ist, und schmecken, was ich esse oder trinke, und hören, was die Sänger oder Sängerinnen singen? Warum sollte dein Knecht meinen Herrn, den König, noch beschweren?37 Dein Knecht wird ein kleines Stück mit dem König über den Jordan gehen. Warum will mir der König so reichlich vergelten?38 Lass deinen Knecht umkehren, dass ich sterbe in meiner Stadt bei meines Vaters und meiner Mutter Grab. Siehe, da ist dein Knecht Kimham, den lass mit meinem Herrn, dem König, ziehen und tu ihm, was dir wohlgefällt. (Jer 41,17)39 Der König sprach: Kimham soll mit mir ziehen, und ich will ihm tun, was dir wohlgefällt; auch alles, was du von mir begehrst, will ich dir tun.40 Und als das ganze Volk über den Jordan gegangen war und der König auch, küsste der König den Barsillai und segnete ihn. Und er kehrte zurück an seinen Ort.41 Und der König zog hinüber nach Gilgal, und Kimham zog mit ihm. Und das ganze Volk von Juda hatte den König hinübergeführt und auch die Hälfte des Volks von Israel.42 Und siehe, da kamen alle Männer von Israel zum König und sprachen zu ihm: Warum haben dich unsere Brüder, die Männer von Juda, gestohlen und haben den König und sein Haus über den Jordan geführt und alle Männer Davids mit ihm?43 Da antworteten alle Männer von Juda denen von Israel: Der König steht uns doch näher; warum zürnt ihr darüber? Meint ihr, dass wir vom König Nahrung und Geschenke empfangen haben?44 Aber es antworteten die Männer von Israel denen von Juda: Wir haben zehnfachen Anteil am König und sind auch die Erstgeborenen vor euch. Warum habt ihr uns denn so gering geachtet? Und haben wir nicht zuerst davon geredet, uns unsern König zurückzuholen? Aber die von Juda redeten noch heftiger als die von Israel.

2.Samuel 19

Hoffnung für alle

von Biblica
1 Diese Worte gaben David einen Stich ins Herz. Er stieg hinauf ins Turmzimmer des Stadttors und weinte. Dabei klagte er ununterbrochen: »Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn, ach, Absalom! Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben! Ach, Absalom, mein Sohn, mein Sohn!«2 Jemand meldete Joab: »Der König weint und trauert um Absalom.«3 Auch bei den Soldaten hatte sich schnell herumgesprochen, dass David über den Tod seines Sohnes verzweifelt war. Ihre Freude über den Sieg war auf einmal wie weggeblasen, Trauer und Niedergeschlagenheit machten sich breit.4 Bedrückt schlichen die Männer in die Stadt zurück – wie Verlierer, die sich schämen, weil sie vom Schlachtfeld geflohen sind.5 David aber saß noch immer im Turmzimmer, er hatte sein Gesicht verhüllt und klagte laut: »Mein Sohn Absalom! Ach, Absalom, mein Sohn, mein Sohn!«6 Da ging Joab zu ihm und wies ihn zurecht: »Deine Soldaten haben dir heute das Leben gerettet, und nicht nur dir, sondern auch deinen Söhnen und Töchtern, deinen Frauen und Nebenfrauen. Und was ist der Dank? Du benimmst dich so, dass sie sich für ihre große Tat nur schämen können!7 Du liebst alle, die dich hassen, und hasst alle, die dich lieben. Deine Heerführer und Soldaten bedeuten dir offenbar überhaupt nichts. Es hätte dir nichts ausgemacht, wenn wir heute alle in der Schlacht gefallen wären – Hauptsache, Absalom wäre noch am Leben!8 Du musst dich jetzt zusammennehmen und zu deinen Männern hinausgehen, um sie wieder zu ermutigen. Sonst laufen sie dir alle noch heute Nacht davon. Das schwöre ich dir, so wahr der HERR lebt! Etwas Schlimmeres könnte dir gar nicht passieren. Es wäre schrecklicher als alles, was du bisher erleiden musstest.«9 Da stand David auf und ging hinunter zum Stadttor. Seinen Soldaten wurde gemeldet, dass der König wieder dort saß. Sofort kamen sie und versammelten sich vor ihm. Inzwischen waren die Israeliten in ihre Heimatorte geflohen.10 In allen Stämmen des Landes warfen sie sich gegenseitig vor: »Wir sind schuld daran, dass König David vor Absalom fliehen und das Gebiet Juda verlassen musste. Dabei hat er uns doch immer von unseren Feinden befreit, und auch die Macht der Philister hat er gebrochen.11 Absalom, den wir zum neuen König gekrönt haben, ist in der Schlacht gefallen. Warum unternimmt niemand etwas, um David zurückzuholen?«12 David sandte die beiden Priester Zadok und Abjatar zu den Sippenoberhäuptern des Stammes Juda. Sie sollten ihnen im Namen des Königs ausrichten: »Wollt ihr die Letzten sein, die mich, euren König, wieder in seinen Palast zurückholen? Die Israeliten haben dies schon lange geplant, wie ich gehört habe.13 Ihr seid doch meine Stammesbrüder und viel näher mit mir verwandt. Warum kommt ihr ihnen nicht zuvor?«14 Amasa, dem Heerführer von Absalom, sollten die beiden Priester von David ausrichten: »Ich schwöre dir, dass ich dich heute an Joabs Stelle zu meinem obersten Heerführer ernenne. Das sollst du dein Leben lang bleiben, denn du bist mein Neffe. Gott soll mich hart bestrafen, wenn ich mein Versprechen nicht halte.«15 So gelang es David, die Unterstützung der Judäer zurückzugewinnen. Geschlossen stellten sie sich hinter ihn und ließen ihm sagen: »Komm mit deinem Gefolge wieder nach Jerusalem!«16 Da trat David den Rückweg an und erreichte den Jordan. Die Männer aus dem Stamm Juda kamen ihm auf der anderen Seite bis nach Gilgal entgegen, um ihn über den Fluss zu geleiten.17 Zur gleichen Zeit lief auch der Benjaminiter Schimi, ein Sohn von Gera aus Bahurim, zum Jordan, um David dort zu treffen.18 Tausend Mann vom Stamm Benjamin waren bei ihm. Auch Ziba, Sauls früherer Diener, hatte sich mit seinen fünfzehn Söhnen und zwanzig Knechten dem Zug angeschlossen. Sie erreichten den Jordan vor dem König.19 Dann brachten sie ein Boot an das gegenüberliegende Ufer, um David mit seinem Gefolge über den Fluss zu setzen und ihm ihren Dienst anzubieten. Als David den Jordan überqueren wollte, ging Schimi zu ihm, warf sich vor ihm zu Boden20 und flehte: »Mein König, vergib mir, was ich dir angetan habe, als du Jerusalem verlassen musstest. Bitte rechne mir diese große Schuld nicht an.21 Ich weiß, dass es ein schwerer Fehler war. Aber bedenke, mein König: Ich bin heute als Erster aus den Nordstämmen hierhergelaufen, um dich zu empfangen.«22 Da mischte sich Davids Neffe Abischai ein: »Schimi verdient den Tod! Er hat den König, den der HERR auserwählt hat, aufs Übelste beschimpft.«23 Doch David wies ihn zurecht: »Von dir und deinem Bruder lasse ich mir nichts vorschreiben! Ihr könnt mich nicht zu so einer Tat verleiten. Von jetzt an bin ich wieder König, darum soll heute kein Israelit hingerichtet werden!«24 Dann wandte der König sich an Schimi und versprach ihm: »Du musst nicht sterben, ich gebe dir mein Wort!«25 Auch Sauls Enkel Mefi-Boschet kam dem König entgegen. Seit David aus Jerusalem fliehen musste, hatte er als Zeichen der Trauer seine Füße nicht mehr gewaschen, den Bart nicht mehr gepflegt und keine frischen Kleider mehr angezogen. So wollte er warten, bis David wohlbehalten zurückkehren würde.26 Als er nun dem König entgegenkam, fragte dieser ihn: »Warum bist du nicht mit mir gekommen, Mefi-Boschet?«27 Er antwortete: »Mein König, dafür ist mein Knecht Ziba verantwortlich, denn er hat mich betrogen! Ich wollte dich begleiten und dafür meinen Esel satteln lassen, weil ich ja nicht mehr richtig laufen kann.28 Doch Ziba ist zu dir gegangen und hat mich bei dir verleumdet. Du aber bist klug und weise wie ein Engel Gottes. Tu mit mir, was du für richtig hältst!29 Die Familie meines Großvaters hatte den Tod verdient nach allem, was sie dir angetan hat. Trotzdem hast du mich, deinen ergebenen Diener, als Gast an deinem Tisch essen lassen. Da kann ich es nicht wagen, noch mehr von dir zu erwarten!«30 »Reden wir nicht mehr davon«, sagte David. »Ziba und du, ihr sollt euch Sauls Besitz teilen.«31 »Ziba kann auch alles haben«, erwiderte Mefi-Boschet, »das Wichtigste für mich ist, dass der König heute unversehrt in seinen Palast zurückkehrt.«32 Barsillai, ein Mann aus Gilead, war von Roglim gekommen, um den König über den Jordan zu begleiten und sich dann von ihm zu verabschieden.33 Barsillai war 80 Jahre alt. Er hatte David in Mahanajim mit allem versorgt, was dieser zum Leben brauchte, denn er war sehr reich.34 Jetzt lud der König ihn ein: »Komm mit mir nach Jerusalem an meinen Hof! Es wird dir dort an nichts fehlen.«35 Doch Barsillai lehnte ab: »Ich habe nicht mehr lange zu leben, warum sollte ich da noch nach Jerusalem ziehen!36 80 Jahre bin ich nun schon alt, und es fällt mir schwer, klare Gedanken zu fassen[1]. Ich schmecke kaum noch, was ich esse oder trinke, und den Gesang deiner Sänger und Sängerinnen höre ich nicht mehr gut. Ich würde dir, mein König, doch nur zur Last fallen.37 Nein, deine Einladung kann ich nicht annehmen. Ich will dich nur noch über den Jordan begleiten,38 und dann lass mich zurückkehren! Ich möchte in meiner Heimatstadt sterben, dort, wo schon mein Vater und meine Mutter begraben sind. Doch mein Sohn Kimham kann ja mit dir ziehen und dir dienen. Setz ihn dort ein, wo du ihn gebrauchen kannst.«39 Da antwortete David: »Ja, Kimham soll mit mir kommen. Ich werde alles für ihn tun, was du wünschst. Und wenn ich dir sonst noch Gutes erweisen kann, dann sag es ruhig! Ich erfülle dir jede Bitte.«40 Anschließend überquerte David mit allen Begleitern den Jordan. Er küsste Barsillai zum Abschied und segnete ihn. Der alte Mann kehrte in seine Heimatstadt zurück,41 während David weiter nach Gilgal zog. Kimham ging mit ihm. Der König wurde begleitet von den Männern des Stammes Juda und von der Hälfte der übrigen Israeliten.42 Unterwegs kamen die Israeliten zum König und beklagten sich: »Warum haben ausgerechnet die Judäer dich, deine Familie und deine Truppen aus Mahanajim abgeholt und über den Jordan geleitet? Dazu hatten sie doch gar kein Recht!«43 »Die Antwort ist ganz einfach«, sagten die Judäer zu den Israeliten, »schließlich steht der König dem Stamm Juda näher. Was regt ihr euch darüber auf? Denkt ihr, wir hätten auf Kosten des Königs gelebt oder uns von ihm beschenken lassen?«44 Die Israeliten hielten dagegen: »Unser Anrecht auf den König ist zehnmal größer als eures! Warum habt ihr uns einfach übergangen? Haben nicht wir zuerst daran gedacht, unseren König zurückzuholen?« Die Judäer aber gaben nicht nach und behielten das letzte Wort.