von Karl-Heinz Vanheiden1Ich, Nebukadnezzar, lebte ruhig und zufrieden in meinem Palast.2Eines Nachts hatte ich einen Traum, der mich erschreckte. Ich lag auf meinem Bett und geriet durch das, was ich sah, in Angst.3Deshalb ließ ich alle Weisen von Babylon zu mir kommen. Sie sollten meinen Traum deuten.4Als die Magier, die Geisterbeschwörer, die Orakelpriester und die Astrologen vor mir standen, erzählte ich ihnen den Traum. Doch keiner sagte mir die Deutung.5Zuletzt trat Daniel vor mich, den ich nach meinem Gott Beltschazzar genannt hatte. In ihm wohnt der Geist der heiligen Götter. Auch ihm erzählte ich meinen Traum.6„Beltschazzar“, sagte ich, „du bist der Oberste der Magier. Ich weiß, dass der Geist der heiligen Götter in dir wohnt und dir kein Geheimnis zu schwer ist. Erkläre mir die Bilder, die ich in meinem Traum gesehen habe, und deute sie mir!7Folgende Schau hatte ich auf meinem Lager: Mitten auf der Erde sah ich einen sehr großen Baum.8Er wurde immer größer und gewaltiger, so dass seine Spitze zuletzt bis an den Himmel reichte. Und bis ans Ende der Erde konnte man ihn sehen.[1]9Er hatte schönes Laub und gab reichlich Frucht – Nahrung für alle. Den wilden Tieren bot er Schatten, die Vögel nisteten in seinen Zweigen. Alles, was lebte, bekam Nahrung von ihm.10Als ich das Bild anschaute, sah ich auf einmal einen Wächterengel vom Himmel herabsteigen, einen Heiligen.11Er rief laut: 'Fällt den Baum und hackt seine Äste ab! Reißt das Laub von seinen Ästen und verstreut die Früchte überall! Die Tiere unter ihm und die Vögel in seinen Zweigen sollen in die Flucht gejagt werden.12Nur den Wurzelstock lasst in der Erde! Er soll von einem Band aus Eisen und Bronze umringt sein, mitten im Gras. Vom Tau des Himmels wird er benetzt, und mit dem Wild teilt er sich was draußen wächst.13Statt eines Menschenverstandes soll ihm der Verstand eines Tieres gegeben werden! Sieben Zeiten[2] lang soll das dauern.14Dieser Erlass beruht auf einem Beschluss der Wächter im Himmel, es ist ein Befehl der heiligen Engel, damit alle Menschen erkennen: Der Höchste hat die Macht über das Reich der Menschen und gibt sie, wem er will. Selbst dem Niedrigsten der Menschen kann er sie geben.'15Diesen Traum habe ich, König Nebukadnezzar, gehabt. Aber du, Beltschazzar, deute ihn mir! Denn alle Weisen in meinem Reich können mir keine Deutung geben. Doch du kannst es, weil dich der Geist der heiligen Götter erfüllt.“16Da erstarrte Daniel, der auch Beltschazzar heißt, eine Zeitlang. Seine Gedanken erschreckten ihn. Aber der König sagte: „Beltschazzar, lass dir von dem Traum und seiner Deutung keine Angst einjagen!“ Er erwiderte: „Mein Herr, ich wünschte, die Botschaft des Traums würde deinen Feinden gelten und allen, die dich hassen!17Der Baum, den du gesehen hast, der so groß und stark wurde, dass seine Spitze bis an den Himmel reichte, und den man bis ans Ende der Erde sehen konnte,18der schönes Laub hatte, reichlich Frucht gab und alle mit Nahrung versorgte, der den wilden Tieren Schatten bot und in dessen Zweigen die Vögel nisteten –19dieser Baum bist du, König. Du wurdest groß und mächtig, deine Gewalt reichte bis an den Himmel, deine Herrschaft bis an das Ende der Welt.20Dass der König einen der heiligen Wächterengel vom Himmel kommen sah, der befahl: 'Fällt den Baum und zerstört ihn, doch seinen Wurzelstock lasst in der Erde! Er soll von einem Band aus Eisen und Bronze umringt sein, mitten im Gras. Vom Tau des Himmels wird er benetzt, und mit dem Wild teilt er sich was draußen wächst, bis die sieben Zeiten vorbei sind!',21das, mein König, hat folgende Bedeutung: Der Höchste hat einen Beschluss gefasst, der meinen Herrn, den König, betrifft.22Man wird dich aus der Gemeinschaft der Menschen ausstoßen und du wirst unter den wilden Tieren leben. Man wird dir Kraut zu essen geben wie den Rindern und dich nass werden lassen vom Tau.[3] Sieben Zeiten werden so vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über die Reiche der Menschen herrscht und die Herrschaft gibt, wem er will.23Doch weil der Wurzelstock im Erdreich bleiben sollte, wird auch dir dein Königreich erhalten bleiben, sobald du erkennst, dass der Himmel die Macht hat.24Darum, König, lass dir meinen Rat gefallen, und sühne deine Sünden durch Gerechtigkeit, dein Unrecht durch Erbarmen mit den Armen. Dann wird es dir auch in Zukunft gut gehen!“25Genauso geschah es dann mit König Nebukadnezzar.26Zwölf Monate später ging er auf der Dachterrasse seines Palastes in Babylon umher27und sagte sich: „Diese großartige Stadt hier habe ich gebaut! Es ist meine Residenz! Mit meiner gewaltigen Macht habe ich das fertig gebracht, ein würdiges Denkmal meiner Herrlichkeit!“[4]28Der König hatte noch nicht ausgeredet, da kam eine Stimme aus dem Himmel: „Hiermit wird dir die Herrschaft weggenommen, König Nebukadnezzar!29Du wirst aus der Gemeinschaft der Menschen ausgestoßen und musst unter den wilden Tieren leben![5] Man wird dir Kraut zu essen geben wie dem Rind und dich nass werden lassen vom Tau. Sieben Zeiten werden so vergehen, bis du erkennst, dass der Höchste über die Reiche der Menschen herrscht und die Herrschaft gibt, wem er will.“30Im gleichen Augenblick wurde das Urteil an Nebukadnezzar vollstreckt. Er wurde aus der Gemeinschaft der Menschen ausgestoßen, fraß Kraut wie die Rinder und wurde nass vom Tau. Sein Haar wurde lang wie die Federn der Geier und seine Nägel wie die Krallen der Vögel.31Nach Ablauf der Zeit erhob ich, Nebukadnezzar, den Blick zum Himmel. Da kehrte mein Verstand wieder zurück und ich pries den Höchsten. Ich rühmte und verherrlichte den, der ewig lebt, dessen Herrschaft niemals aufhört und dessen Reich in Ewigkeit besteht.32Alle Bewohner der Erde sind vor ihm wie nichts. Er macht mit ihnen, was er will. Selbst das Heer des Himmels[6] ist in seiner Hand. Niemand kann ihm wehren und ihn fragen, was er da tut.33Als mein Verstand wieder zurückgekehrt war, kehrten zum Ruhm meines Königtums auch meine Herrlichkeit und mein Ansehen zurück. Meine Ratgeber und die Großen meines Reiches suchten mich auf, und ich wurde wieder in meine Herrschaft eingesetzt. Meine Macht wurde noch größer als vorher.34Nun rühme und lobe und ehre ich, Nebukadnezzar, den König des Himmels, der zu seinem Wort steht und immer das Richtige tut, und der alle demütigen kann, die sich überheben.
Daniel 4
Hoffnung für alle
von Biblica1Ich, Nebukadnezar, lebte glücklich und zufrieden im königlichen Palast.2Doch eines Tages, als ich auf meinem Bett lag und schlief, hatte ich einen schrecklichen Traum. Was ich darin sah, jagte mir große Angst ein.3Da ließ ich alle weisen Berater rufen. Sie sollten mir diesen Traum deuten.4Als die Wahrsager, Geisterbeschwörer, Sterndeuter und Magier vor mir standen, schilderte ich ihnen meinen Traum. Doch keiner konnte mir erklären, welche Botschaft er enthielt.5Zuletzt trat Daniel vor mich, der nach meinem Gott Bel[1] den Namen Beltschazar bekommen hatte. In ihm wohnt der Geist der heiligen Götter. Auch ihm erzählte ich meinen Traum:6»Beltschazar«, sagte ich, »dich habe ich über alle Wahrsager gesetzt, weil ich weiß, dass der Geist der heiligen Götter in dir wohnt. Es gibt kein Geheimnis, das du nicht aufdecken kannst. Sag mir doch, was die Bilder bedeuten, die ich im Traum gesehen habe!7Ich träumte, in der Mitte der Erde stehe ein Baum von gewaltiger Höhe.8Er wuchs und wurde immer größer, bis sein Wipfel den Himmel berührte. Noch vom äußersten Ende der Erde aus konnte man ihn sehen.9Er besaß prächtige Blätter und trug viele Früchte. Den wilden Tieren bot er Schatten und Schutz, in seinen Zweigen nisteten die Vögel. Alle Menschen und Tiere ernährten sich von seinen Früchten.10Während ich den Baum betrachtete, kam plötzlich vom Himmel ein Engel Gottes[2] herab.11Er rief laut: ›Fällt den Baum und hackt seine Äste ab! Reißt die Blätter herunter und verstreut die Früchte überall! Die Tiere, die in seinem Schatten leben, und die Vögel, die in seinen Zweigen nisten, jagt in die Flucht!12Den Wurzelstock aber lasst stehen und bindet ihn mit Ketten aus Eisen und Bronze auf der Wiese fest. Der Mensch, den dieser Wurzelstock darstellt, soll[3] vom Tau durchnässt werden und sich wie ein Tier von Gras ernähren.13Er wird seinen menschlichen Verstand verlieren und einem Tier gleichen. Sieben Zeiträume[4] lang soll dies dauern!14So wurde es im Rat der heiligen Engel[5] beschlossen, damit die Menschen erkennen: Der höchste Gott ist Herr über alle Königreiche der Welt. Er vertraut die Herrschaft an, wem er will, selbst dem unbedeutendsten Menschen kann er sie geben.‹15Das alles habe ich geträumt. Und nun erkläre mir, was es bedeutet, Beltschazar! Alle meine Berater sind unfähig dazu. Doch du kannst es, weil der Geist der heiligen Götter in dir wohnt.«16Daniel, den man Beltschazar nannte, war eine Zeit lang starr vor Schreck, so erschütterte ihn das Gehörte. Da sagte ich zu ihm: »Beltschazar, mein Traum und seine Deutung brauchen dir keine Angst einzujagen!« Daniel erwiderte: »Mein Herr und König, ich wünschte, die Botschaft würde deinen Feinden gelten, allen, die dich hassen!17Du hast einen Baum gesehen, der immer größer wurde, bis sein Wipfel schließlich den Himmel berührte. Noch vom äußersten Ende der Erde aus konnte man ihn erkennen.18Er besaß prächtige Blätter und trug viele Früchte. Den wilden Tieren bot er Schatten, in seinen Zweigen nisteten die Vögel. Alle Menschen und Tiere ernährten sich von seinen Früchten.19Dieser Baum bist du, mein König! Mächtig und bedeutend bist du geworden! Deine Größe reicht bis zum Himmel, und deine Herrschaft erstreckt sich bis zum Ende der Erde.20Dann hast du gesehen, wie ein Engel Gottes vom Himmel herabkam und rief: ›Fällt den Baum und haut ihn in Stücke; den Wurzelstock aber lasst stehen und bindet ihn mit Ketten aus Eisen und Bronze auf der Wiese fest! Der Mensch, den dieser Wurzelstock darstellt, soll vom Tau durchnässt und den Tieren gleich werden! Sieben Zeiträume lang wird dies dauern.‹21Höre, mein König, was der höchste Gott über dich beschlossen hat:22Man wird dich aus der menschlichen Gemeinschaft ausstoßen, und du musst unter den Tieren hausen. Du wirst Gras fressen wie ein Rind und nass werden vom Tau. Erst wenn sieben Zeiträume vergangen sind, wirst du erkennen: Der höchste Gott ist Herr über alle Königreiche der Welt. Er vertraut die Herrschaft an, wem er will.23Du hast gehört, wie der Engel befahl, den Wurzelstock stehen zu lassen. Dies bedeutet: Du darfst wieder als König regieren, wenn du Gott als Herrn anerkennst.24Nimm meinen Rat an, o König! Sag dich von allem Unrecht los und tu Gutes! Mach deine Verfehlungen wieder gut, indem du den Armen hilfst! Dann wird es dir vielleicht auch in Zukunft gut gehen.«25Alles traf so ein, wie Daniel es vorausgesagt hatte:26Ein Jahr später ging ich auf dem Dach meines Palasts auf und ab.27Dabei dachte ich: »Da zu meinen Füßen liegt Babylon, die herrliche Stadt! Mir zu Ehren zeigt sie ihre ganze Pracht. Ich habe sie zu meiner Residenz ausgebaut, denn ich bin ein großer und mächtiger König!«28Noch während ich dies dachte, hörte ich eine Stimme vom Himmel: »König Nebukadnezar, lass dir sagen: Deine Herrschaft ist zu Ende!29Die Menschen werden dich verstoßen, unter wilden Tieren musst du hausen und Gras fressen wie ein Rind. Erst wenn sieben Zeiträume vergangen sind, wirst du erkennen: Der höchste Gott ist Herr über alle Königreiche der Welt, er vertraut die Herrschaft an, wem er will.«30Sofort erfüllte sich diese Ankündigung: Ich wurde aus der menschlichen Gemeinschaft verstoßen und fraß Gras wie ein Rind. Ich wurde vom Tau durchnässt, mein Haar war bald so lang wie Adlerfedern und meine Nägel wie Vogelkrallen.31Als die lange Zeit schließlich zu Ende ging, schaute ich hilfesuchend zum Himmel empor, und da erlangte ich meinen Verstand wieder. Ich pries den höchsten Gott, ich lobte den, der ewig lebt. Seine Herrschaft hört niemals auf, sein Reich bleibt für alle Zeiten bestehen.32Die Bewohner dieser Erde sind nichts im Vergleich zu ihm. Alle Menschen, ja sogar die Mächte des Himmels müssen sich seinem Willen beugen! Niemand kann sich ihm widersetzen und ihn fragen: »Was tust du da?«33Als ich wieder bei Verstand war, erhielt ich meine königliche Würde, Ehre und Anerkennung zurück. Meine obersten Beamten und die führenden Männer meines Reiches kamen zu mir und setzten mich wieder als König ein. Ich wurde noch berühmter und angesehener als zuvor.34Nun lobe und preise ich, Nebukadnezar, den König, der im Himmel regiert. Ihm gebe ich die Ehre! Er ist zuverlässig und gerecht in allem, was er tut. Wer aber stolz und überheblich ist, den kann er stürzen.