1Der Herr hat seinen Zorn wie dunkle Wolken über Jerusalem[1] geworfen. Die Herrlichkeit Israels warf er vom Himmel zur Erde. Selbst seinen eigenen Tempel[2] hat der Herr am Tag seines Zorns nicht verschont. ב (Bet) (Ps 99,5; Ps 132,7; Jes 64,10; Hes 28,14)2Erbarmungslos hat der Herr jedes Haus in Israel[3] zerstört. Die befestigten Städte der Tochter Juda hat er in seinem Zorn eingerissen, das Reich und seine Fürsten hat er zur Erde gestürzt und entehrt. ג (Gimel) (Ps 21,10; Ps 89,40; Kla 3,43)3In der Glut seines Zorns hat er die ganze Macht Israels gebrochen. Mit dem Angriff des Feindes hat der Herr seine schützende Hand vom Land abgezogen, und nun verzehrt er Israel wie ein tosendes Feuer. ד (Dalet) (Ps 75,6; Jes 42,25; Jer 21,14)4Er spannte seinen Bogen und legte ihn auf sein eigenes Volk an, als wäre es sein Feind. Er tötete, was als begehrenswert galt. Seine Zornesglut hat er über der Stadt Jerusalem[4] ausgeschüttet. ה (He) (Hi 6,4; Hi 16,13; Jer 7,20; Kla 3,12)5Wie ein Feind ist der Herr geworden. Er hat Israel und jede seiner Festungen zerstört. So hat er unendliches Leid und Tränen über die Tochter Juda gebracht. ו (Waw) (Jer 52,13; Kla 2,2)6Er hat seinen eigenen Tempel eingerissen wie ein Gartenhaus. Der HERR hat jede Erinnerung an die heiligen Feste und Sabbattage ausgelöscht. In seinem tobenden Zorn hat er Könige und Priester verworfen. ז (Zajin) (Kla 1,4; Zef 3,18)7Auch seinen Altar hat der Herr verworfen und sein Heiligtum entweiht. Jerusalems Paläste hat er in die Hände seiner Feinde gegeben. Im Tempel des HERRN herrschte ein Geschrei wie an Festtagen. ח (Chet) (Ps 74,3; Jes 64,10; Hes 7,20)8Der HERR hat beschlossen, die Mauern Jerusalems zu zerstören. Sorgfältig hat er den Untergang der Stadt geplant und nicht eher abgelassen, bis sie zerstört war. Wälle und Mauern ließ er trauern, sie sanken dahin. ט (Thet) (2Kön 21,13; Jes 34,11; Am 7,7)9Jerusalems Tore gleichen dem Erdboden, ihre Riegel sind zerschmettert und zerstört. Die Könige und Fürsten der Stadt wurden in fremde Länder verschleppt. Das Gesetz gilt nicht mehr und die Propheten erhalten vom HERRN keine Visionen. י (Jod) (Neh 1,3; Jer 14,14; Jer 23,16)10Jerusalems Älteste sitzen, in Säcke gekleidet, schweigend am Boden. Voller Sorge und Verzweiflung streuen sie sich Asche aufs Haupt. Die Jungfrauen Jerusalems senken ihre Köpfe zu Boden. כ (Kaf) (Hi 2,13; Jes 3,26; Am 8,3; Jon 3,6)11Ich weinte, bis ich keine Tränen mehr hatte. Mein Herz brach und mir schwanden die Sinne als ich sah, dass mein Volk untergeht und Säuglinge und Kleinkinder auf den Straßen sterben. ל (Lamed) (Jer 4,19; Kla 2,19)12Sie sagen zu ihren Müttern: »Wir wollen essen und trinken!« Und dann sterben sie in den Straßen der Stadt wie tödlich Getroffene. Sie hauchen ihr Leben in den Armen ihrer Mütter aus. מ (Mem) (Hi 30,16)13O Tochter Jerusalem, womit soll ich deine Qual vergleichen? O jungfräuliche Tochter Zion, wie kann ich dich trösten? Deine Wunde ist tief wie das Meer, wer kann dich heilen? נ (Nun) (Kla 1,12)14Deine Propheten haben dich betrogen und dir falsche Bilder ausgemalt. Sie haben nicht einmal versucht, dich vor dem Exil zu bewahren, indem sie dir deine Sünden vorhielten. Stattdessen weissagten sie Lügen und verführten dich. ס (Samek) (Hes 22,25; Hes 23,36; Mi 3,8)15Alle Vorübergehenden klatschen vor Hohn in die Hände. Sie pfeifen und schütteln ihren Kopf über die Tochter Jerusalem: »Ist das etwa die Stadt, die ›Schönste der Welt‹ und ›Freude der Erde‹ genannt wird?« פ (Pe) (Hi 27,23; Ps 48,3; Ps 50,2; Jer 18,16)16Alle deine Feinde zerreißen sich den Mund über dich, sie zischen und knirschen mit den Zähnen. »Wir haben sie vernichtet!«, spotten sie. »Wir haben lange auf diesen Tag gewartet, jetzt ist er endlich da!« ע (Ajin) (Ps 22,14; Ps 56,3; Kla 3,46; Ob 1,12)17Der HERR hat getan, was er sich vorgenommen hatte. Er hat sein Wort erfüllt, das er lange angekündigt hatte. Erbarmungslos hat er alles niedergerissen. Deine Feinde ließ er fröhlich sein und erhöhte ihre Macht. צ (Sade) (5Mo 28,43; Ps 89,43; Kla 1,5)18Weine laut vor dem Herrn, Mauer der Tochter Zion! Deine Tränen sollen Tag und Nacht fließen wie ein Bach. Gönn dir keine Ruhe, deine Augen sollen nicht trocken werden. ק (Qof) (Kla 2,8; Hos 7,14; Hab 2,11)19Steh auf, schrei in der Nacht zu Beginn jeder Nachtwache. Schütte dem Herrn dein Herz aus wie Wasser. Heb deine Hände wegen deiner Kinder zu ihm auf, die an allen Straßenecken verhungern. ר (Resch) (1Sam 1,15; Jes 51,20)20»Sieh, HERR, wem du so etwas angetan hast! Soll denn eine Mutter die Frucht ihres Leibes essen, ihre Kinder, die auf ihren Knien saßen? Sollen denn Priester und Propheten im Tempel des Herrn erschlagen werden? שׁ (Schin) (2Mo 32,11; 5Mo 9,26; Jer 23,11; Kla 4,13)21Sie liegen in den Straßen – Junge und Alte, Mädchen und Jungen, vom Schwert erschlagen. Du hast sie in deinem Zorn erschlagen, du hast sie ohne Erbarmen umgebracht. ת (Taw) (2Chr 36,17; Jer 6,11; Sach 11,6)
Hoffnung auf die Treue des HERRN
22Du hast meine Feinde von allen Seiten aufgeboten, hast sie gerufen wie zu einem Fest, sodass niemand am Tag des Zorns des HERRN entkommen konnte. Keiner hat überlebt: mein Feind hat alle Kinder, die ich glücklich geboren und großgezogen habe, getötet.« א (Alef) (Jes 24,17; Jer 16,2)
Klagelieder 2
Lutherbibel 2017
Klage über die Verwüstung Judas und Jerusalems
1Ach, wie hat der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel auf die Erde geworfen; er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns. (Ps 132,7)2Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt, er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm, er hat zu Boden gestreckt und entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten.3Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen, er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam, und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt.4Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war; im Zelt der Tochter Zion hat er seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet.5Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat Israel vertilgt. Er hat zerstört alle Paläste und hat die Burgen vernichtet; er hat der Tochter Juda viel Jammer und Leid gebracht.6Er hat sein eigenes Zelt zerwühlt wie einen Garten und seine Wohnung vernichtet. Der HERR hat in Zion Feiertag und Sabbat vergessen lassen, und in seinem grimmigen Zorn ließ er König und Priester schänden. (Kla 5,12; Hos 2,13)7Der Herr hat seinen Altar verworfen und sein Heiligtum entweiht. Er hat die Mauern ihrer Paläste in des Feindes Hände gegeben, dass sie im Hause des HERRN Geschrei erhoben haben wie an einem Feiertag.8Der HERR gedachte zu vernichten die Mauer der Tochter Zion; er hat die Messschnur über die Mauern gezogen und seine Hand nicht abgewendet, bis er sie vertilgte. Er ließ Mauer und Wall trauern und miteinander fallen. (2Kön 21,13)9Ihre Tore sind tief in die Erde gesunken; er hat ihre Riegel zerbrochen und zunichtegemacht. Ihr König und ihre Fürsten sind unter den Völkern, wo sie das Gesetz nicht üben können, und ihre Propheten haben keine Gesichte vom HERRN.10Die Ältesten der Tochter Zion sitzen auf der Erde und sind still, sie werfen Staub auf ihre Häupter und haben den Sack angezogen. Die Jungfrauen von Jerusalem senken ihre Köpfe zur Erde.11Ich habe mir fast die Augen ausgeweint, mein Leib tut mir weh, mein Herz ist auf die Erde ausgeschüttet über dem Jammer der Tochter meines Volks, weil die Säuglinge und Unmündigen auf den Gassen in der Stadt verschmachten.12Zu ihren Müttern sprechen sie: Wo ist Brot und Wein?, da sie auf den Gassen in der Stadt verschmachten wie die tödlich Verwundeten und in den Armen ihrer Mütter den Geist aufgeben.13Ach, du Tochter Jerusalem, wem soll ich dich vergleichen und wie soll ich dir zureden? Du Jungfrau, Tochter Zion, wem soll ich dich vergleichen, damit ich dich tröste? Denn dein Schaden ist groß wie das Meer. Wer kann dich heilen?14Deine Propheten haben dir trügerische und törichte Gesichte verkündet und dir deine Schuld nicht offenbart, wodurch sie dein Geschick abgewandt hätten, sondern sie haben dich Worte hören lassen, die Trug waren und dich verführten. (Jer 14,14; Jer 23,16)15Alle, die vorübergehen, klatschen in die Hände, pfeifen und schütteln den Kopf über die Tochter Jerusalem: Ist das die Stadt, von der man sagte, sie sei die allerschönste, an der sich alles Land freut? (Ps 48,3; Hes 16,14)16Alle deine Feinde reißen ihr Maul auf über dich, pfeifen und knirschen mit den Zähnen und sprechen: »Ha! Wir haben sie vertilgt! Das ist der Tag, den wir begehrt haben; wir haben’s erlangt, wir haben’s erlebt.«17Der HERR hat getan, was er vorhatte; er hat sein Wort erfüllt, das er längst zuvor geboten hat. Er hat ohne Erbarmen zerstört, er hat den Feind über dich frohlocken lassen und hat die Macht deiner Widersacher erhöht.18Ihr Herz schrie zum Herrn: »Ach, du Mauer der Tochter Zion!« Lass Tag und Nacht Tränen herabfließen wie einen Bach; höre nicht auf, und dein Augapfel lasse nicht ab!19Steh des Nachts auf und schreie zu Beginn jeder Nachtwache, schütte dein Herz aus vor dem Herrn wie Wasser. Hebe deine Hände zu ihm auf um des Lebens deiner jungen Kinder willen, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken!20HERR, schaue und sieh doch, wen du so verderbt hast! Sollen denn die Frauen ihres Leibes Frucht essen, die Kindlein, die man auf Händen trägt? Sollen denn Propheten und Priester in dem Heiligtum des Herrn erschlagen werden? (5Mo 28,53; Jer 19,9)21Es lagen in den Gassen auf der Erde Knaben und Alte; meine Jungfrauen und Jünglinge sind durchs Schwert gefallen. Du hast getötet am Tage deines Zorns, du hast ohne Erbarmen geschlachtet.22Du hast von allen Seiten her meine Feinde gerufen wie zu einem Feiertag, sodass niemand am Tage des Zorns des HERRN entronnen und übrig geblieben ist. Die ich auf den Händen getragen und großgezogen habe, die hat der Feind umgebracht.