I. Erster Teil: Das Wesen und der Wert der Weisheit (Ermunterungen und Ratschläge, betreffend die Hingabe an sie) (1,1-16,21)
1Alle Weisheit kommt vom Herrn und ist bei ihm in Ewigkeit.2Den Sand am Meer und die Tropfen des Regens und die Tage der Ewigkeit: – wer kann sie zählen?3Die Höhe des Himmels und die Breite der Erde und das Weltmeer und die Weisheit: – wer kann sie ergründen?4Früher als dieses alles ist die Weisheit geschaffen, und verständige Einsicht ist von Ewigkeit her. [Die Quelle der Weisheit ist Gottes Wort in Himmelshöhen, und ihre Wege sind die ewigen Gebote.]5Die Wurzel[1] der Weisheit, – wem war sie offenbart? und ihre geheimen Pläne, – wer hat sie erkannt? [Die Erkenntnis der Weisheit, – wem wird sie kundgetan? und ihre reiche Erfahrung, – wer hat sie verstanden?]6Einer ist weise, furchtbar gar sehr, er, der auf seinem Throne sitzt, der Herr.7Er ist’s, der sie geschaffen und geschaut und gezählt und sie ausgegossen hat über alle seine Werke8mit Einschluß alles Fleisches, soviel er ihm eben verlieh; doch reichlich hat er sie denen gewährt, die ihn lieben. [Die Liebe zum Herrn ist herrliche Weisheit; denen er aber erscheint, denen teilt er sie zu, damit sie ihn schauen.]9Die Furcht des Herrn verleiht Ehre und Ruhm und Frohsinn und eine Freudenkrone.10Die Furcht des Herrn erfreut das Herz und gibt Frohsinn, Fröhlichkeit und langes Leben. [Die Furcht des Herrn ist ein Geschenk vom Herrn, denn sie stellt hin auf die Pfade der Liebe.]11Wer den Herrn fürchtet, dem wird es am Ende wohl ergehn, und am Tage seines Todes wird er gepriesen werden. [Die Liebe zum Herrn ist herrliche Weisheit; denen er aber erscheint, denen teilt er sie zu, damit sie ihn schauen.]12Der Anfang der Weisheit ist die Furcht des Herrn; den Frommen ist sie im Mutterleibe anerschaffen.13Bei den Menschen (oder Frommen?) hat sie sich einen ewigen Wohnsitz gegründet und bei deren Nachkommen wird sie beständig bleiben. [Die Furcht des Herrn ist ein gottseliges Wissen; die Gottseligkeit behütet und macht rechtschaffen das Herz, Freude und Wonne verleiht sie. Dem Gottesfürchtigen wird es wohlergehen, und zur Zeit seines Endes wird er gesegnet sein.]14Das Vollmaß der Weisheit ist die Furcht des Herrn; sie macht die Menschen trunken von ihren Früchten.15Ihr ganzes Haus füllt sie mit kostbaren Schätzen an und die Vorratskammern mit ihren Erzeugnissen.16Die Krone der Weisheit ist die Furcht des Herrn, die da erblühen macht Wohlfahrt und erquickende Gesundheit (und das Rühmen denen weit macht, die ihn lieben).17Und er sah sie und zählte sie aus; Erkenntnis und kluge Einsicht strömt sie aus und erhöht den Ruhm derer, die sie festhalten.18Die Wurzel der Weisheit ist die Furcht des Herrn, und ihre Zweige sind langes Leben. [Die Furcht des Herrn hält die Sünde fern; wer aber in ihr bleibt, wird allen Zorn von sich abwenden.]19Ungerechter Zorn kann nicht entschuldigt werden; denn der Ausbruch seines Zorns bringt ihn zum Fall.20Bis zur rechten Zeit hält der Langmütige an sich, und nachher erwächst ihm daraus Freude.21Bis zur rechten Zeit verbirgt er seine Worte, und die Lippen vieler werden seine Klugheit preisen.22In den Schatzkammern der Weisheit sind einsichtsvolle Sprüche vorhanden, aber dem Sünder ist die Gottesfurcht ein Greuel.23Wünschest du dir Weisheit, so halte die Gebote, dann wird der Herr sie dir reichlich bescheren;24denn Weisheit und Bildung besteht in der Furcht des Herrn; was ihm aber gefällt, ist die Treue und Sanftmut.25Sei nicht ungehorsam gegen die Furcht des Herrn und nahe ihr nicht mit geteiltem Herzen.26Tue nicht groß mit ihr vor den Leuten und nimm dich in acht mit deinen Lippen.27Überhebe dich nicht, damit du nicht fallest und dir selbst Schande zuziehest und der Herr dein verborgenes Innere ans Licht bringe und dich inmitten der versammelten Gemeinde zu Boden werfe, weil du in Wirklichkeit dich nicht der Gottesfurcht genaht hattest und dein Herz voll Falschheit war.
Jesus Sirach 1
Lutherbibel 2017
Vorrede Der göttliche Ursprung der Weisheit
1Vieles und Großes ist uns gegeben durch das Gesetz und die Propheten und die Schriften, die sich daran anschließen; daher muss man Israel wegen solcher Lehre und Weisheit loben. Darum sollen nicht allein, die sie lesen, daraus weise werden, sondern die sich um Erkenntnis mühen, sollen mit Lehren und Schreiben auch denen dienen, die dazu nicht imstande sind. So hat mein Großvater Jesus mit besonderem Fleiß das Gesetz, die Propheten und die andern Bücher unserer Väter gelesen, sich wohl darin geübt und es auch selbst unternommen, etwas von rechtem und weisem Leben zu schreiben, damit die, die gerne lernen und sich darin vertiefen wollen, in einem gesetzestreuen Leben immer verständiger werden. Darum bitte ich euch, dies Buch freundlich aufzunehmen und aufmerksam zu lesen und dort Nachsicht zu üben, wo es scheint, dass wir einige Worte nicht recht getroffen haben, obwohl wir uns bemühten, gut zu übersetzen. Denn was in hebräischer Sprache geschrieben ist, wirkt nicht ebenso, wenn man’s in einer andern Sprache wiedergibt. Nicht allein mein Buch, sondern selbst das Gesetz und die Propheten und die übrigen Bücher lauten oft recht anders, wenn sie in ihrer eignen Sprache gelesen werden. Im achtunddreißigsten Jahr des Königs Ptolemäus Euergetes[1] kam ich nach Ägypten und blieb dort, solange er lebte. Da ich auch dort nicht geringe Bildung fand, sah ich’s als gut und notwendig an, auch selbst Eifer und Mühe darauf zu verwenden, dies Buch zu übersetzen. Im Laufe der Zeit habe ich viele schlaflose Nächte und große Kenntnisse darauf verwendet, dies Buch fertigzustellen und herauszubringen, damit auch alle, die in der Fremde gerne lernen wollen, sich gute Sitten aneignen, um gesetzestreu zu leben. Alle Weisheit kommt vom Herrn und ist bei ihm in Ewigkeit. (5Mo 4,6; Spr 2,6; Spr 8,22; Lk 24,44; Jak 1,17; Weis 9,4)2Wer kann sagen, wie viel Sand das Meer, wie viel Tropfen der Regen und wie viel Tage die Welt hat? (Spr 30,4; Jes 40,12)3Wer kann erforschen, wie hoch der Himmel, wie breit die Erde, wie tief das Meer ist? Wer kann die Weisheit ergründen?4Denn die Weisheit ist vor allem geschaffen; Verstand und Einsicht sind von Ewigkeit her. (Sir 24,9)5[Das Wort Gottes in der Höhe ist die Quelle der Weisheit, und sie verzweigt sich in die ewigen Gebote.] (Sir 24,25; Bar 3,12)6Wem wurde die Wurzel der Weisheit aufgedeckt, und wer kann ihre Pläne erkennen? (Hi 28,21)7[Wem wurde das Wissen um die Weisheit offenbart, und wer hat die Fülle ihrer Erfahrung erfasst?]8Einer ist’s, der ist weise und sehr zu fürchten; er sitzt auf seinem Thron.9Der Herr selbst hat die Weisheit geschaffen und gesehen und hat sie gemessen und hat sie ausgeschüttet über alle seine Werke (Hi 28,27)10und über alles Fleisch nach seinem Gefallen und gibt sie denen, die ihn lieben. [Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit. Und er gewährt sie, denen er sich zeigt, sodass sie ihn schauen.] (Pred 2,26)
Gottesfurcht und menschliche Weisheit
11Die Furcht des Herrn ist Ehre und Ruhm, Freude und ein Siegeskranz.12Die Furcht des Herrn macht das Herz fröhlich und gibt Freude und Wonne und langes Leben. [Die Furcht des Herrn ist vom Herrn gegeben, und durch Liebe befestigt sie die Pfade.]13Wer den Herrn fürchtet, dem wird’s am Ende wohlergehen, und am Tage seines Todes wird er den Segen empfangen. (Ps 37,37)14Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang: Zugleich mit den Gläubigen ist sie im Mutterleib erschaffen. (Spr 1,7)15Bei den Menschen baut sie ein Nest – einen Grundstein auf ewig, und auch die Nachkommen werden auf sie trauen.16Den Herrn fürchten sättigt mit Weisheit, und sie macht trunken mit ihren Früchten. (Weis 7,11)17Sie erfüllt das ganze Haus mit begehrten Gaben und die Scheunen mit ihren Schätzen.18Die Furcht des Herrn ist die Krone der Weisheit, Frieden und Heil lässt sie sprießen. [Beides aber sind Gaben Gottes zum Frieden, und Ruhm breitet sich aus bei denen, die ihn lieben.]19Wissen, Erkenntnis und Einsicht lässt der Herr regnen; er erhöht den Ruhm derer, die an der Weisheit festhalten.20Den Herrn fürchten ist die Wurzel der Weisheit, und ihre Zweige grünen ewiglich.21[Die Furcht des Herrn vertreibt die Sünden; wo sie bleibt, beschwichtigt sie allen Zorn.] (Spr 16,6)22Unrechter Zorn kann nicht recht behalten; denn Unmaß im Zorn bringt zu Fall.23Ein Langmütiger hält aus bis zur rechten Zeit, und später wird ihm Freude erwachsen.24Bis zur rechten Zeit unterdrückt er seine Worte; dann aber werden viele seine Einsicht rühmen.25Aus dem Schatz der Weisheit kommen treffende Worte, aber dem Sünder ist Frömmigkeit ein Gräuel.26Willst du weise werden, so halte die Gebote, dann wird der Herr dir die Weisheit geben.27Denn die Furcht des Herrn ist Weisheit und Zucht; Glaube und Geduld gefallen ihm wohl. (Spr 15,33)28Sei nicht ungehorsam dem Gebot, den Herrn zu fürchten, und diene Gott nicht mit geteiltem Herzen.29Suche nicht Ruhm bei den Leuten durch Heuchelei und gib acht, was du redest. (Mt 6,1)30Überhebe dich nicht, damit du nicht fällst und zuschanden wirst. Der Herr wird deine Tücke offenbaren und dich öffentlich vor den Leuten stürzen, weil du dem Herrn nicht in rechter Furcht gedient hast und dein Herz voller Falsch gewesen ist. (Spr 16,18; Mt 23,12)