Das menschliche Leben ist kurz und dabei voller Mühsal; warum läßt Gott es nicht in Ruhe verlaufen?
1»Der Mensch, vom Weibe geboren, ist arm an Lebenszeit, aber überreich an Unruhe:2wie eine Blume sprießt er auf und verwelkt, er flieht wie ein Schatten dahin und hat keinen Bestand.3Dennoch hältst du über einem solchen (Wesen) deine Augen offen und ziehst ihn vor deinen Richterstuhl!4Wie könnte wohl ein Reiner von Unreinen herkommen? nein, nicht ein einziger.5Wenn denn seine Tage genau bemessen sind, wenn die Zahl seiner Monde bei dir feststeht und du ihm eine Grenze gesetzt hast, die er nicht überschreiten darf,6so wende doch deine Blicke von ihm weg, damit er Ruhe habe, bis er wie ein Tagelöhner mit Befriedigung auf seinen Tag hinblicken kann!«
Für den Menschen gibt es nach dem Tode keine Hoffnung, keine Zukunft mehr
7»Denn für einen Baum bleibt eine Hoffnung bestehen: wird er abgehauen, so schlägt er von neuem aus, und seine Schößlinge hören nicht auf.8Wenn auch seine Wurzel in der Erde altert und sein Stumpf im Boden abstirbt,9so treibt er doch vom Duft[1] des Wassers neue Sprossen und bringt Zweige hervor wie ein junges Reis.10Wenn aber ein Mann stirbt, so liegt er hingestreckt da, und wenn ein Mensch verscheidet, wo ist er dann?11Wie das Wasser aus einem Teich verdunstet und ein Strom versiegt und austrocknet,12so legt der Mensch sich nieder und steht nicht wieder auf: bis der Himmel nicht mehr ist, erwachen sie nicht wieder und werden aus ihrem Schlaf nicht aufgerüttelt.«
Hiob kann wegen des Zustandes der Verstorbenen im Totenreich keine Hoffnung auf Auferstehung, auf Rechtfertigung und Glück haben, denn mit dem Tode ist alles Erfreuliche zu Ende
13»O wenn du mich doch im Totenreiche verwahrtest, mich dort verbergen wolltest, bis dein Zorn sich gelegt hätte, mir eine Frist bestimmtest und dann meiner gedächtest!14Doch wenn der Mensch gestorben ist – kann er wohl wieder aufleben? Dann wollte ich alle Tage meines Frondienstes[2] harren, bis die Ablösung für mich käme:15dann würdest du rufen und ich gäbe dir Antwort; nach dem Werk deiner Hände würdest du Verlangen tragen;16ja, dann würdest du meine Schritte sorglich zählen, über einen Fehltritt von mir kein strenger Wächter sein;17nein, versiegelt würde meine Übertretung in einem Bündel[3] liegen, und meine Schuld hättest du verklebt[4].18Doch nein – Berge stürzen in sich zusammen, und Felsen werden von ihrer Stelle weggerückt,19Steine höhlt das Wasser aus, und seine Güsse schwemmen das Erdreich weg: so machst du auch die Hoffnung des Menschen zunichte.20Du überwältigst ihn auf ewig, und er muß davon; sein Antlitz entstellend, läßt du ihn dahinfahren.21Gelangen seine Kinder zu Ehren – er weiß nichts davon; und sinken sie in Schande hinab – er achtet nicht auf sie.22Nur seines eigenen Leibes Schmerzen fühlt er, und nur um sich selbst empfindet seine Seele Trauer.«
1Was ist der Mensch, von einer Frau geboren? Sein Leben ist nur kurz, doch voller Unrast. (Hi 7,1; Ps 39,5)2Wie eine Blume blüht er und verwelkt, so wie ein Schatten ist er plötzlich fort. (Hi 8,9; Ps 90,5)3Und trotzdem lässt du ihn nicht aus den Augen, du ziehst ihn vor Gericht, verurteilst ihn!4Du musst doch wissen, dass er unrein ist, dass niemals etwas Reines von ihm ausgeht! (Hi 4,17; Jes 64,5; Sir 34,4)5Im Voraus setzt du fest, wie alt er wird, auf Tag und Monat hast du es beschlossen. Du selbst bestimmst die Grenzen seines Lebens, er kann und darf sie niemals überschreiten. (Ps 39,5)6Darum blick weg von ihm, lass ihn in Ruhe und gönne ihm sein bisschen Lebensfreude![1] (Hi 7,19)7Für einen Baum gibt es noch eine Hoffnung: Wenn man ihn fällt, dann schlägt er wieder aus.8Selbst wenn die Wurzeln in der Erde altern, der Stumpf im Boden abstirbt und verdorrt –9er muss nur ein klein wenig Wasser spüren, dann treibt er wieder wie ein junges Bäumchen.10Doch stirbt ein Mensch, so ist es mit ihm aus. Wenn er gestorben ist, wo bleibt er dann?11Vielleicht geschieht’s, dass Ströme nicht mehr fließen, dass auch das Wasser aus dem Meer verschwindet;12doch tote Menschen stehen nicht mehr auf, sie werden nie aus ihrem Schlaf erwachen. Noch eher stürzt der ganze Himmel ein! (Hi 7,9)13Verbirg mich doch dort unten bei den Toten, versteck mich, bis dein Zorn vorüber ist! Bestimme doch, wie lang ich warten muss, bis du mir deine Güte wieder zeigst.14Doch kommt ein Toter je zurück ins Leben? Ich hielte gerne diese Qualen aus, wenn ich auf bessere Zeiten hoffen könnte.15Du würdest rufen, ich dir Antwort geben. Du würdest wieder Freude an mir haben und daran denken, dass ich dein Geschöpf bin.16Du würdest alle meine Schritte zählen, doch keine Liste meiner Sünden führen.17Für immer würdest du die Schuld verschließen, du decktest alle meine Fehler zu.18Jedoch auch Berge stürzen ein, zerfallen, und Felsen rücken fort von ihrer Stätte;19das Wasser kann den harten Stein zerreiben, Sturzregen schwemmt den Ackerboden fort. So lässt du unsere Hoffnung untergehen!20Du zwingst den Menschen nieder mit Gewalt, machst seine Züge starr und fremd im Tod und schickst ihn fort – er kommt nie mehr zurück.21Wenn seine Kinder hier zu Ehren kommen oder in Schande stürzen, weiß er’s nicht.22Was er noch fühlt, ist nur die eigene Ohnmacht und trauern kann er nur noch um sich selbst.«