2.Samuel 19

Lutherbibel 2017

1 Da erbebte der König und ging hinauf in das Obergemach des Tores und weinte, und im Gehen rief er: Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wollte Gott, ich wäre für dich gestorben! O Absalom, mein Sohn, mein Sohn!2 Und es wurde Joab angesagt: Siehe, der König weint und trägt Leid um Absalom.3 So wurde aus dem Sieg an diesem Tag eine Trauer unter dem ganzen Kriegsvolk; denn das Volk hatte an diesem Tage gehört, dass sich der König um seinen Sohn gräme.4 Und das Kriegsvolk stahl sich weg an diesem Tage in die Stadt, wie sich Kriegsvolk wegstiehlt, das sich schämen muss, weil es im Kampf geflohen ist.5 Der König aber hatte sein Angesicht verhüllt und schrie laut: Ach, mein Sohn Absalom! Absalom, mein Sohn, mein Sohn!6 Joab aber kam zum König ins Haus und sprach: Du hast heute schamrot gemacht alle deine Knechte, die dir heute das Leben gerettet haben und deinen Söhnen, deinen Töchtern, deinen Frauen und Nebenfrauen,7 weil du lieb hast, die dich hassen, und hasst, die dich lieb haben. Denn du lässt heute merken, dass dir nichts gelegen ist an den Hauptleuten und Knechten. Ja, ich merke heute wohl: Wenn nur Absalom lebte und wir heute alle tot wären, das wäre dir recht.8 So mache dich nun auf und komm heraus und rede mit deinen Knechten freundlich. Denn ich schwöre dir bei dem HERRN: Wirst du nicht herauskommen, so wird kein Mann bei dir bleiben diese Nacht. Das wird für dich ärger sein als alles Übel, das über dich gekommen ist von deiner Jugend auf bis hierher.9 Da stand der König auf und setzte sich ins Tor. Und man sagte es allem Kriegsvolk: Siehe, der König sitzt im Tor. Da kam alles Volk vor den König. Als Israel geflohen war, ein jeder zu seinen Zelten,10 stritt sich alles Volk in allen Stämmen Israels, und sie sprachen: Der König hat uns errettet aus der Hand unserer Feinde und uns erlöst aus der Hand der Philister und hat jetzt aus dem Lande fliehen müssen vor Absalom.11 Aber Absalom, den wir über uns gesalbt hatten, ist gefallen im Kampf. Warum seid ihr nun so still und holt den König nicht wieder zurück?12 Es kam aber die Rede ganz Israels vor den König. Und der König sandte zu den Priestern Zadok und Abjatar und ließ ihnen sagen: Redet mit den Ältesten in Juda und sprecht: Warum wollt ihr die Letzten sein, den König zurückzuholen in sein Haus?13 Ihr seid meine Brüder, von meinem Gebein und Fleisch; warum wollt ihr denn die Letzten sein, den König zurückzuholen? (1Mo 29,14; 2Sam 5,1)14 Und zu Amasa sprecht: Bist du nicht von meinem Gebein und Fleisch? Gott tue mir dies und das, wenn du nicht Feldhauptmann sein sollst vor mir dein Leben lang an Joabs statt. (2Sam 17,25; 2Sam 20,4; 1Kön 2,5)15 Und er wandte das Herz aller Männer Judas wie eines Mannes Herz, und sie sandten hin zum König: Komm zurück, du und alle deine Knechte!16 So kam der König zurück. Und als er an den Jordan kam, waren die Männer Judas nach Gilgal gekommen, um dem König entgegenzuziehen und den König über den Jordan zu führen.17 Und Schimi, der Sohn Geras, der Benjaminiter, der in Bahurim wohnte, zog eilends mit den Männern von Juda hinab dem König David entgegen (2Sam 16,5; 1Kön 2,8; 1Kön 2,36)18 und mit ihm tausend Mann von Benjamin, dazu auch Ziba, der Knecht des Hauses Saul, mit seinen fünfzehn Söhnen und zwanzig Knechten, und sie gelangten an den Jordan, bevor der König kam, (2Sam 9,2; 2Sam 9,10; 2Sam 16,1)19 und durchschritten die Furt, damit sie das Haus des Königs hinüberführten und täten, was ihm gefiele. Schimi aber, der Sohn Geras, fiel vor dem König nieder, als dieser über den Jordan gehen wollte,20 und sprach zum König: Mein Herr rechne es mir nicht als Schuld an und denke nicht mehr daran, dass dein Knecht sich an dir vergangen hat an dem Tage, da mein Herr, der König, aus Jerusalem ging, und der König nehme es nicht zu Herzen.21 Denn dein Knecht erkennt, dass ich gesündigt habe. Und siehe, ich bin heute als Erster vom ganzen Hause Josef gekommen, dass ich meinem Herrn, dem König, entgegenzöge.22 Aber Abischai, der Sohn der Zeruja, hob an und sprach: Sollte Schimi nicht sterben, da er doch dem Gesalbten des HERRN geflucht hat?23 David aber sprach: Was hab ich mit euch zu schaffen, ihr Söhne der Zeruja, dass ihr mir heute zum Satan werden wollt? Sollte heute jemand sterben in Israel? Meinst du, ich wisse nicht, dass ich heute wieder König über Israel geworden bin? (2Sam 16,10)24 Und der König sprach zu Schimi: Du sollst nicht sterben. Und der König schwor es ihm. (1Kön 2,8)25 Mefi-Boschet, der Sohn Sauls, kam auch herab, dem König entgegen. Und er hatte seine Füße und seinen Bart nicht gereinigt und seine Kleider nicht gewaschen von dem Tage an, da der König weggegangen war, bis zu dem Tag, da er wohlbehalten zurückkäme. (2Sam 9,1; 2Sam 16,1)26 Als er nun nach Jerusalem kam, dem König zu begegnen, sprach der König zu ihm: Warum bist du nicht mit mir gezogen, Mefi-Boschet?27 Und er sprach: Mein Herr und König, mein Knecht hat mich betrogen. Dein Knecht dachte: Ich will einen Esel satteln und darauf reiten und zum König ziehen, denn dein Knecht ist lahm.28 Dazu hat er deinen Knecht verleumdet vor meinem Herrn, dem König. Aber mein Herr, der König, ist wie der Engel Gottes; tu, was dir wohlgefällt. (2Sam 14,17; 2Sam 16,3)29 Meines Vaters ganzes Haus hätte ja den Tod erleiden müssen von meinem Herrn, dem König; du aber hast deinen Knecht gesetzt unter die, die an deinem Tisch essen. Was hab ich weiter für Recht oder Anspruch, zum König um Hilfe zu schreien? (2Sam 9,7)30 Der König sprach zu ihm: Was redest du noch weiter? Nun bestimme ich: Du und Ziba, teilt das Ackerland miteinander. (2Sam 9,9; 2Sam 16,3)31 Mefi-Boschet sprach zum König: Er nehme ihn auch ganz, nachdem mein Herr und König wohlbehalten heimgekommen ist.32 Und Barsillai, der Gileaditer, kam herab von Roglim und zog mit dem König an den Jordan, um ihn über den Jordan zu geleiten. (2Sam 17,27; 1Kön 2,7)33 Und Barsillai war sehr alt, achtzig Jahre. Er hatte den König versorgt, als er in Mahanajim war; denn er war ein Mann von großem Vermögen.34 Und der König sprach zu Barsillai: Du sollst mit mir ziehen, ich will dich versorgen bei mir in Jerusalem.35 Aber Barsillai sprach zum König: Was ist’s noch, das ich zu leben habe, dass ich mit dem König hinaufziehen sollte nach Jerusalem?36 Ich bin heute achtzig Jahre alt. Wie kann ich noch unterscheiden, was gut oder böse ist, und schmecken, was ich esse oder trinke, und hören, was die Sänger oder Sängerinnen singen? Warum sollte dein Knecht meinen Herrn, den König, noch beschweren?37 Dein Knecht wird ein kleines Stück mit dem König über den Jordan gehen. Warum will mir der König so reichlich vergelten?38 Lass deinen Knecht umkehren, dass ich sterbe in meiner Stadt bei meines Vaters und meiner Mutter Grab. Siehe, da ist dein Knecht Kimham, den lass mit meinem Herrn, dem König, ziehen und tu ihm, was dir wohlgefällt. (Jer 41,17)39 Der König sprach: Kimham soll mit mir ziehen, und ich will ihm tun, was dir wohlgefällt; auch alles, was du von mir begehrst, will ich dir tun.40 Und als das ganze Volk über den Jordan gegangen war und der König auch, küsste der König den Barsillai und segnete ihn. Und er kehrte zurück an seinen Ort.41 Und der König zog hinüber nach Gilgal, und Kimham zog mit ihm. Und das ganze Volk von Juda hatte den König hinübergeführt und auch die Hälfte des Volks von Israel.42 Und siehe, da kamen alle Männer von Israel zum König und sprachen zu ihm: Warum haben dich unsere Brüder, die Männer von Juda, gestohlen und haben den König und sein Haus über den Jordan geführt und alle Männer Davids mit ihm?43 Da antworteten alle Männer von Juda denen von Israel: Der König steht uns doch näher; warum zürnt ihr darüber? Meint ihr, dass wir vom König Nahrung und Geschenke empfangen haben?44 Aber es antworteten die Männer von Israel denen von Juda: Wir haben zehnfachen Anteil am König und sind auch die Erstgeborenen vor euch. Warum habt ihr uns denn so gering geachtet? Und haben wir nicht zuerst davon geredet, uns unsern König zurückzuholen? Aber die von Juda redeten noch heftiger als die von Israel.

2.Samuel 19

Hoffnung für alle

1 Diese Worte gaben David einen Stich ins Herz. Er stieg hinauf ins Turmzimmer des Stadttors und weinte. Dabei klagte er ununterbrochen: »Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn, ach, Absalom! Wäre ich doch an deiner Stelle gestorben! Ach, Absalom, mein Sohn, mein Sohn!«2 Jemand meldete Joab: »Der König weint und trauert um Absalom.«3 Auch bei den Soldaten hatte sich schnell herumgesprochen, dass David über den Tod seines Sohnes verzweifelt war. Ihre Freude über den Sieg war auf einmal wie weggeblasen, Trauer und Niedergeschlagenheit machten sich breit.4 Bedrückt schlichen die Männer in die Stadt zurück – wie Verlierer, die sich schämen, weil sie vom Schlachtfeld geflohen sind.5 David aber saß noch immer im Turmzimmer, er hatte sein Gesicht verhüllt und klagte laut: »Mein Sohn Absalom! Ach, Absalom, mein Sohn, mein Sohn!«6 Da ging Joab zu ihm und wies ihn zurecht: »Deine Soldaten haben dir heute das Leben gerettet, und nicht nur dir, sondern auch deinen Söhnen und Töchtern, deinen Frauen und Nebenfrauen. Und was ist der Dank? Du benimmst dich so, dass sie sich für ihre große Tat nur schämen können!7 Du liebst alle, die dich hassen, und hasst alle, die dich lieben. Deine Heerführer und Soldaten bedeuten dir offenbar überhaupt nichts. Es hätte dir nichts ausgemacht, wenn wir heute alle in der Schlacht gefallen wären – Hauptsache, Absalom wäre noch am Leben!8 Du musst dich jetzt zusammennehmen und zu deinen Männern hinausgehen, um sie wieder zu ermutigen. Sonst laufen sie dir alle noch heute Nacht davon. Das schwöre ich dir, so wahr der HERR lebt! Etwas Schlimmeres könnte dir gar nicht passieren. Es wäre schrecklicher als alles, was du bisher erleiden musstest.«9 Da stand David auf und ging hinunter zum Stadttor. Seinen Soldaten wurde gemeldet, dass der König wieder dort saß. Sofort kamen sie und versammelten sich vor ihm. Inzwischen waren die Israeliten in ihre Heimatorte geflohen.10 In allen Stämmen des Landes warfen sie sich gegenseitig vor: »Wir sind schuld daran, dass König David vor Absalom fliehen und das Gebiet Juda verlassen musste. Dabei hat er uns doch immer von unseren Feinden befreit, und auch die Macht der Philister hat er gebrochen.11 Absalom, den wir zum neuen König gekrönt haben, ist in der Schlacht gefallen. Warum unternimmt niemand etwas, um David zurückzuholen?«12 David sandte die beiden Priester Zadok und Abjatar zu den Sippenoberhäuptern des Stammes Juda. Sie sollten ihnen im Namen des Königs ausrichten: »Wollt ihr die Letzten sein, die mich, euren König, wieder in seinen Palast zurückholen? Die Israeliten haben dies schon lange geplant, wie ich gehört habe.13 Ihr seid doch meine Stammesbrüder und viel näher mit mir verwandt. Warum kommt ihr ihnen nicht zuvor?«14 Amasa, dem Heerführer von Absalom, sollten die beiden Priester von David ausrichten: »Ich schwöre dir, dass ich dich heute an Joabs Stelle zu meinem obersten Heerführer ernenne. Das sollst du dein Leben lang bleiben, denn du bist mein Neffe. Gott soll mich hart bestrafen, wenn ich mein Versprechen nicht halte.«15 So gelang es David, die Unterstützung der Judäer zurückzugewinnen. Geschlossen stellten sie sich hinter ihn und ließen ihm sagen: »Komm mit deinem Gefolge wieder nach Jerusalem!«16 Da trat David den Rückweg an und erreichte den Jordan. Die Männer aus dem Stamm Juda kamen ihm auf der anderen Seite bis nach Gilgal entgegen, um ihn über den Fluss zu geleiten.17 Zur gleichen Zeit lief auch der Benjaminiter Schimi, ein Sohn von Gera aus Bahurim, zum Jordan, um David dort zu treffen.18 Tausend Mann vom Stamm Benjamin waren bei ihm. Auch Ziba, Sauls früherer Diener, hatte sich mit seinen fünfzehn Söhnen und zwanzig Knechten dem Zug angeschlossen. Sie erreichten den Jordan vor dem König.19 Dann brachten sie ein Boot an das gegenüberliegende Ufer, um David mit seinem Gefolge über den Fluss zu setzen und ihm ihren Dienst anzubieten. Als David den Jordan überqueren wollte, ging Schimi zu ihm, warf sich vor ihm zu Boden20 und flehte: »Mein König, vergib mir, was ich dir angetan habe, als du Jerusalem verlassen musstest. Bitte rechne mir diese große Schuld nicht an.21 Ich weiß, dass es ein schwerer Fehler war. Aber bedenke, mein König: Ich bin heute als Erster aus den Nordstämmen hierhergelaufen, um dich zu empfangen.«22 Da mischte sich Davids Neffe Abischai ein: »Schimi verdient den Tod! Er hat den König, den der HERR auserwählt hat, aufs Übelste beschimpft.«23 Doch David wies ihn zurecht: »Von dir und deinem Bruder lasse ich mir nichts vorschreiben! Ihr könnt mich nicht zu so einer Tat verleiten. Von jetzt an bin ich wieder König, darum soll heute kein Israelit hingerichtet werden!«24 Dann wandte der König sich an Schimi und versprach ihm: »Du musst nicht sterben, ich gebe dir mein Wort!«25 Auch Sauls Enkel Mefi-Boschet kam dem König entgegen. Seit David aus Jerusalem fliehen musste, hatte er als Zeichen der Trauer seine Füße nicht mehr gewaschen, den Bart nicht mehr gepflegt und keine frischen Kleider mehr angezogen. So wollte er warten, bis David wohlbehalten zurückkehren würde.26 Als er nun dem König entgegenkam, fragte dieser ihn: »Warum bist du nicht mit mir gekommen, Mefi-Boschet?«27 Er antwortete: »Mein König, dafür ist mein Knecht Ziba verantwortlich, denn er hat mich betrogen! Ich wollte dich begleiten und dafür meinen Esel satteln lassen, weil ich ja nicht mehr richtig laufen kann.28 Doch Ziba ist zu dir gegangen und hat mich bei dir verleumdet. Du aber bist klug und weise wie ein Engel Gottes. Tu mit mir, was du für richtig hältst!29 Die Familie meines Großvaters hatte den Tod verdient nach allem, was sie dir angetan hat. Trotzdem hast du mich, deinen ergebenen Diener, als Gast an deinem Tisch essen lassen. Da kann ich es nicht wagen, noch mehr von dir zu erwarten!«30 »Reden wir nicht mehr davon«, sagte David. »Ziba und du, ihr sollt euch Sauls Besitz teilen.«31 »Ziba kann auch alles haben«, erwiderte Mefi-Boschet, »das Wichtigste für mich ist, dass der König heute unversehrt in seinen Palast zurückkehrt.«32 Barsillai, ein Mann aus Gilead, war von Roglim gekommen, um den König über den Jordan zu begleiten und sich dann von ihm zu verabschieden.33 Barsillai war 80 Jahre alt. Er hatte David in Mahanajim mit allem versorgt, was dieser zum Leben brauchte, denn er war sehr reich.34 Jetzt lud der König ihn ein: »Komm mit mir nach Jerusalem an meinen Hof! Es wird dir dort an nichts fehlen.«35 Doch Barsillai lehnte ab: »Ich habe nicht mehr lange zu leben, warum sollte ich da noch nach Jerusalem ziehen!36 80 Jahre bin ich nun schon alt, und es fällt mir schwer, klare Gedanken zu fassen[1]. Ich schmecke kaum noch, was ich esse oder trinke, und den Gesang deiner Sänger und Sängerinnen höre ich nicht mehr gut. Ich würde dir, mein König, doch nur zur Last fallen.37 Nein, deine Einladung kann ich nicht annehmen. Ich will dich nur noch über den Jordan begleiten,38 und dann lass mich zurückkehren! Ich möchte in meiner Heimatstadt sterben, dort, wo schon mein Vater und meine Mutter begraben sind. Doch mein Sohn Kimham kann ja mit dir ziehen und dir dienen. Setz ihn dort ein, wo du ihn gebrauchen kannst.«39 Da antwortete David: »Ja, Kimham soll mit mir kommen. Ich werde alles für ihn tun, was du wünschst. Und wenn ich dir sonst noch Gutes erweisen kann, dann sag es ruhig! Ich erfülle dir jede Bitte.«40 Anschließend überquerte David mit allen Begleitern den Jordan. Er küsste Barsillai zum Abschied und segnete ihn. Der alte Mann kehrte in seine Heimatstadt zurück,41 während David weiter nach Gilgal zog. Kimham ging mit ihm. Der König wurde begleitet von den Männern des Stammes Juda und von der Hälfte der übrigen Israeliten.42 Unterwegs kamen die Israeliten zum König und beklagten sich: »Warum haben ausgerechnet die Judäer dich, deine Familie und deine Truppen aus Mahanajim abgeholt und über den Jordan geleitet? Dazu hatten sie doch gar kein Recht!«43 »Die Antwort ist ganz einfach«, sagten die Judäer zu den Israeliten, »schließlich steht der König dem Stamm Juda näher. Was regt ihr euch darüber auf? Denkt ihr, wir hätten auf Kosten des Königs gelebt oder uns von ihm beschenken lassen?«44 Die Israeliten hielten dagegen: »Unser Anrecht auf den König ist zehnmal größer als eures! Warum habt ihr uns einfach übergangen? Haben nicht wir zuerst daran gedacht, unseren König zurückzuholen?« Die Judäer aber gaben nicht nach und behielten das letzte Wort.

2.Samuel 19

Neues Leben. Die Bibel

1 Da wurde der König von seinen Gefühlen überwältigt. Er stieg hinauf in das Zimmer über dem Tor und weinte. Noch im Gehen klagte er: »Mein Sohn Absalom! Mein Sohn, mein Sohn Absalom! Wäre ich doch nur an deiner Stelle gestorben! Absalom, mein Sohn, mein Sohn!« (2Mo 32,32; 2Sam 19,5; Röm 9,1)2 Joab erfuhr schon bald, dass der König um Absalom weinte und trauerte. (2Sam 18,5)3 Als die Truppen von dem Kummer des Königs um seinen Sohn hörten, verkehrte sich ihre Freude über den Sieg in tiefe Trauer.4 Sie schlichen an jenem Tag in die Stadt zurück, als ob sie sich schämten und in der Schlacht geflohen wären.5 Der König hatte sein Gesicht verhüllt und klagte laut: »Mein Sohn Absalom! Absalom, mein Sohn, mein Sohn!« (2Sam 15,30; 2Sam 19,1)6 Da ging Joab ins Haus des Königs und sagte zu ihm: »Wir haben heute dein Leben und das Leben deiner Söhne, Töchter, Frauen und Nebenfrauen gerettet. Und du beschämst uns durch dein Verhalten.7 Du scheinst diejenigen zu lieben, die dich hassen, und die zu hassen, die dich lieben. Heute hast du deutlich gezeigt, dass dir deine Heerführer und Krieger nichts bedeuten. Seit heute weiß ich: Wenn Absalom am Leben und wir alle tot wären, wärst du zufrieden.8 Jetzt geh hinaus und gratuliere dem Heer, denn ich schwöre beim HERRN, wenn du es nicht tust, wird nicht ein einziger Mann heute Nacht hierbleiben. Das wäre schlimmer für dich als alles, was du bisher erleben musstest.«9 Da ging der König hinaus und setzte sich ins Stadttor, und als sich unter seinen Kriegern die Nachricht verbreitete, dass er dort war, gingen alle zu ihm hin. In der Zwischenzeit waren die Israeliten in ihre jeweiligen Heimatorte geflohen. (2Sam 8,1; 2Sam 15,2; 2Sam 18,24)10 In allen Stämmen Israels stritten die Leute miteinander und sagten: »Der König hat uns von unseren Feinden befreit und vor den Philistern gerettet, doch jetzt musste er vor Absalom aus dem Land fliehen. (2Sam 8,1; 2Sam 15,14)11 Nun ist Absalom, den wir zu unserem König gesalbt hatten, in der Schlacht gefallen. Worauf wartet ihr? Warum holt ihr den König nicht wieder zurück?«12 König David hörte von diesem Wunsch des Volkes Israel. Da schickte er die Priester Zadok und Abjatar zu den Ältesten von Juda und ließ ihnen ausrichten: »Warum seid ihr die Letzten, die den König in seinen Palast zurückholen wollen? (2Sam 15,24)13 Ihr seid doch meine Verwandten, mein Fleisch und Blut! Warum seid ihr die Letzten, die den König zurückholen wollen?14 Und Amasa sollt ihr von mir ausrichten: ›Bist du nicht mit mir verwandt? Gott soll mich strafen, wenn ich dich nicht an Joabs Stelle zu meinem Heerführer ernenne.‹« (2Sam 17,25)15 Da überzeugte David alle Männer von Juda und sie ließen dem König ausrichten: »Kehre zu uns zurück und bring alle mit, die bei dir sind.«16 Da machte sich der König auf den Rückweg. Als er am Jordan anlangte, kam ihm das Volk von Juda bis nach Gilgal entgegen, um ihn über den Fluss zu geleiten. (Jos 5,8; 1Sam 11,14)17 Auch der Benjaminiter Schimi, der Sohn Geras, aus Bahurim, eilte mit den Männern von Juda herbei, um König David zu begrüßen. (2Sam 16,5; 1Kön 2,8)18 Bei ihm waren 1000 Mann aus dem Stamm Benjamin, darunter auch Ziba, der Diener Sauls, mit seinen 15 Söhnen und 20 Knechten. Sie erreichten den Jordan noch vor der Ankunft des Königs. (2Sam 9,2)19 Dann durchquerten sie die Furt und stellten sich dem König zur Verfügung, um ihn und sein Gefolge über den Fluss zu bringen. Als der König gerade den Jordan überqueren wollte, warf sich Schimi, der Sohn Geras, vor ihm zu Boden.20 »Mein Herr und König, vergib mir«, bat er. »Vergiss das Schlimme, das ich getan habe, als du Jerusalem verlassen musstest. (2Sam 16,6)21 Ich weiß jetzt, wie groß meine Sünde war. Deshalb bin ich heute hierher gekommen, um dich als Erster vom ganzen Haus Josef[1] zu begrüßen.«22 Da sagte Abischai, der Sohn der Zeruja: »Schimi soll sterben, denn er hat den gesalbten König des HERRN verflucht!« (2Mo 22,27)23 »Was soll ich bloß mit euch Söhnen der Zeruja machen! Ihr führt mich in Versuchung«, rief David aus. »Heute soll niemand in Israel getötet werden, denn ich bin wieder König über Israel!« (1Sam 11,13; 2Sam 16,9)24 Und David wandte sich an Schimi und gelobte: »Du sollst nicht sterben!« (1Kön 2,8)25 Auch Mefi-Boschet, Sauls Enkel, kam dem König entgegen. Er hatte seit dem Tag, an dem der König Jerusalem verließ, bis zu dem Tag, an dem er in Frieden zurückkam, seine Füße und Kleider nicht mehr gewaschen und seinen Bart nicht geschnitten. (2Sam 9,5)26 Als er nun von Jerusalem her dem König entgegenkam, fragte dieser ihn: »Warum bist du nicht mit mir gekommen, Mefi-Boschet?« (2Sam 16,17)27 Mefi-Boschet antwortete: »Mein Herr und König, mein Diener hat mich hintergangen. Ich habe ihm befohlen: ›Sattle meinen Esel, damit ich mit dem König ziehen kann.‹ Denn wie du weißt, bin ich gelähmt. (2Sam 9,2)28 Er aber hat mich bei dir, meinem Herrn und König, verleumdet. Doch ich weiß, dass du wie ein Engel Gottes bist, deshalb tu, was du für richtig hältst. (2Sam 14,17)29 Alle Angehörigen meines Vaters hatten von dir nur den Tod zu erwarten, mein Herr und König, doch stattdessen hast du mich an deinen Tisch geladen! Wie könnte ich da vom König noch etwas fordern?« (2Sam 9,7)30 »Schon gut«, antwortete der König. »Ich setze nun fest, dass du und Ziba den Besitz Sauls unter euch aufteilen sollt.«31 »Er kann auch alles haben«, sagte Mefi-Boschet, »nachdem du wieder in Frieden heimgekehrt bist, mein Herr und König!«32 Der Gileaditer Barsillai war aus Roglim gekommen, um den König über den Jordan zu geleiten und ihn dort zu verabschieden. (2Sam 17,27; 1Kön 2,7)33 Er war schon ein alter Mann von 80 Jahren. Er hatte den König während seines Aufenthaltes in Mahanajim mit Nahrung versorgt, denn er war sehr reich.34 »Komm mit mir und wohne bei mir in Jerusalem«, sagte der König zu Barsillai. »Dort werde ich für dich sorgen.«35 »Nein«, antwortete dieser, »ich bin viel zu alt, um mit dem König nach Jerusalem zu gehen.36 Ich bin jetzt 80 Jahre alt und kann nicht mehr unterscheiden, was gut ist und was nicht. Was ich esse und trinke, kann ich nicht mehr schmecken, und ich kann die Stimmen der Sänger und Sängerinnen nicht mehr hören. Ich wäre nur eine Last für meinen Herrn, den König. (Ps 90,10)37 Ich möchte nur noch mit dem König zusammen über den Jordan setzen. Warum willst du, mein König, mich so reich belohnen?38 Lass mich in meine Heimatstadt zurückkehren, um dort zu sterben, wo mein Vater und meine Mutter begraben sind. Doch hier ist dein Diener Kimham. Lass ihn mit dir, mein Herr und König, ziehen und gib ihm, was immer du ihm Gutes geben willst!« (1Kön 2,7; Jer 41,17)39 Der König stimmte zu: »Kimham soll mit mir gehen und ich will ihm Gutes tun. Was immer du möchtest, werde ich für dich tun!«40 Danach überquerte das ganze Volk gemeinsam mit dem König den Jordan. Barsillai kehrte, nachdem David ihn gesegnet und geküsst hatte, in seine Heimatstadt zurück. (1Mo 32,1; Rut 1,14; 2Sam 14,33)41 Der König zog nach Gilgal und nahm Kimham mit. Das ganze Heer Judas und das halbe Heer Israels begleiteten ihn über den Fluss.42 Doch die Israeliten beklagten sich beim König: »Warum haben unsere Brüder, die Männer von Juda, sich das Recht herausgenommen, den König, seine Familie und seine Männer über den Jordan zu bringen?«43 »Weil der König uns näher steht«, entgegneten die Männer aus Juda. »Warum solltet ihr euch darüber ärgern? Wir haben nichts dafür vom König verlangt. Und er hat uns keine Geschenke dafür gegeben.«44 »Aber es gibt zehn Stämme in Israel«, widersprachen die Israeliten. »Deshalb ist unser Anrecht auf David zehnmal größer als eures.[2] Warum habt ihr uns so missachtet? Haben wir nicht als Erste gesagt, dass wir ihn wieder zum König haben wollen?« Aber die Antwort der Männer aus Juda fiel noch schärfer aus als die der Israeliten. (2Sam 5,1)