1Als unsere Abreise nach Italien beschlossen war, übergab man Paulus und einige andere Gefangene einem Hauptmann namens Julius aus einem syrischen Regiment, das den Ehrennamen ›Kaiserliches Regiment‹ trug.[1]2Wir gingen an Bord eines Schiffes aus Adramyttion, das die Häfen an der Küste der Provinz Asien anlaufen sollte, und fuhren ab. Der Mazedonier Aristarch aus Thessalonich begleitete uns. (Apg 19,29)3Am nächsten Tag erreichten wir Sidon. Julius war Paulus gegenüber sehr entgegenkommend und erlaubte ihm, seine Glaubensgenossen[2] dort zu besuchen und sich bei ihnen zu erholen. (Apg 24,23)4Als wir von dort weiterfuhren, hatten wir Gegenwind; darum segelten wir auf der Ostseite um Zypern herum.5Kilikien und Pamphylien ließen wir rechts liegen und erreichten schließlich Myra in Lykien.6Dort fand der Hauptmann ein Schiff aus Alexandria, das nach Italien fuhr, und brachte uns an Bord.7Viele Tage lang machten wir nur wenig Fahrt und kamen mit Mühe bis auf die Höhe von Knidos. Dann zwang uns der Wind, den Kurs zu ändern. Wir hielten auf die Insel Kreta zu, umsegelten Kap Salmone8und erreichten mit knapper Not einen Ort, der Kaloi Limenes (Guthäfen) heißt, nicht weit von der Stadt Lasäa.
Paulus im Seesturm
9Wir hatten inzwischen viel Zeit verloren. Das Herbstfasten[3] war vorbei und die Schifffahrt wurde gefährlich. Deshalb warnte Paulus seine Bewacher. (1Kor 11,26)10»Ich sehe voraus«, sagte er, »dass eine Weiterfahrt zu großen Schwierigkeiten führen wird. Sie bringt nicht nur Ladung und Schiff in Gefahr, sondern auch das Leben der Menschen an Bord.«11Aber der Hauptmann hörte mehr auf den Steuermann und den Kapitän als auf das, was Paulus sagte.12Außerdem war der Hafen zum Überwintern nicht sehr geeignet. So waren die meisten dafür, wieder in See zu stechen und zu versuchen, noch bis nach Phönix zu kommen. Dieser ebenfalls auf Kreta gelegene Hafen ist nach Westen hin offen und man konnte dort den Winter zubringen.13Als ein leichter Südwind einsetzte, nahmen die Seeleute es für ein günstiges Zeichen. Die Anker wurden gelichtet, und das Schiff segelte so dicht wie möglich an der Küste Kretas entlang.14Aber bald brach aus der Richtung der Insel ein Sturm los, der gefürchtete Nordost,15und riss das Schiff mit. Da es unmöglich war, Kurs zu halten, ließen wir uns einfach treiben.16Im Schutz der kleinen Insel Kauda war der Sturm etwas weniger heftig und wir konnten mit einiger Mühe das Beiboot einholen.17Danach legten die Seeleute zur Sicherung ein paar Taue fest um das ganze Schiff. Um nicht in die Große Syrte verschlagen zu werden, brachten sie den Treibanker[4] aus und ließen das Schiff dahintreiben.18Der Sturm setzte dem Schiff stark zu, deshalb warf man am nächsten Tag einen Teil der Ladung ins Meer. (Jon 1,5)19Am Tag darauf warfen die Seeleute eigenhändig die Schiffsausrüstung über Bord.20Tagelang zeigten sich weder Sonne noch Sterne am Himmel. Der Sturm ließ nicht nach, und so verloren wir am Ende jede Hoffnung auf Rettung.21Niemand wollte mehr etwas essen. Da erhob sich Paulus und sagte: »Ihr hättet auf meine Warnung hören und im Hafen bleiben sollen. Dann wäre uns dies erspart geblieben.22Doch jetzt bitte ich euch: Lasst den Mut nicht sinken! Alle werden am Leben bleiben, nur das Schiff geht verloren.23In der vergangenen Nacht erschien mir nämlich ein Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene,24und sagte zu mir: ›Hab keine Angst, Paulus! Du musst vor den Kaiser treten, und auch alle anderen, die mit dir auf dem Schiff sind, wird Gott deinetwegen retten.‹ (Apg 23,11)25Also seid mutig, Männer! Ich vertraue Gott, dass alles so kommen wird, wie er es zu mir gesagt hat.26Wir werden an einer Insel stranden.« (Apg 28,1)27Wir trieben nun schon die vierzehnte Nacht im Sturm auf dem Mittelmeer. Gegen Mitternacht vermuteten die Seeleute Land in der Nähe.28Sie warfen ein Lot aus und kamen auf 37 Meter Wassertiefe. Etwas später waren es nur noch 28 Meter.[5]29Sie fürchteten, auf ein Küstenriff aufzulaufen, darum warfen sie vom Heck vier Anker aus und wünschten sehnlichst den Tag herbei.30Aber noch in der Dunkelheit versuchten die Seeleute, das Schiff zu verlassen. Unter dem Vorwand, auch vom Bug aus Anker auswerfen zu wollen, brachten sie das Beiboot zu Wasser.31Doch Paulus warnte den Hauptmann und die Soldaten: »Wenn die Seeleute das Schiff verlassen, habt ihr keine Aussicht auf Rettung mehr.«32Da hieben die Soldaten die Taue durch und ließen das Beiboot davontreiben.33Noch bevor der Tag anbrach, forderte Paulus alle auf, doch etwas zu essen. »Ihr wartet nun schon vierzehn Tage auf Rettung«, sagte er, »und habt die ganze Zeit über nichts gegessen.34Ich bitte euch deshalb, esst etwas; das habt ihr nötig, wenn ihr überleben wollt. Niemand von euch wird auch nur ein Haar von seinem Kopf verlieren.« (Lk 12,7)35Dann nahm Paulus ein Brot, sprach darüber vor allen ein Dankgebet, brach das Brot in Stücke und fing an zu essen. (Lk 22,19)36Da bekamen sie alle wieder Mut und aßen ebenfalls.37Wir waren insgesamt 276 Leute auf dem Schiff.38Als alle satt waren, warfen sie die Getreideladung über Bord, um das Schiff zu erleichtern.
Schiffbruch
39Bei Tagesanbruch sahen die Seeleute eine Küste, die ihnen unbekannt war. Doch entdeckten sie eine Bucht mit einem flachen Strand und wollten versuchen, das Schiff dort auf Grund zu setzen.40Sie kappten die Ankertaue, ließen die Anker im Meer zurück und machten zugleich die Steuerruder klar. Dann hissten sie das Vordersegel, und als das Schiff im Wind wieder Fahrt machte, hielten sie auf die Küste zu.41Sie liefen jedoch auf eine Sandbank auf. Der Bug rammte sich so fest ein, dass das Schiff nicht wieder flottzumachen war, und das Hinterdeck zerbrach unter der Wucht der Wellen.42Da beschlossen die Soldaten, alle Gefangenen zu töten, damit keiner durch Schwimmen entkommen könne.43Aber der Hauptmann wollte Paulus retten und verhinderte es. Er befahl den Schwimmern, sie sollten als Erste über Bord springen und das Land zu erreichen suchen;44die Übrigen sollten sich Planken und anderen Wrackteilen anvertrauen. So kamen alle unversehrt an Land.
1Als es dann so weit war, dass wir[1] nach Italien abreisen sollten[2], wurden Paulus und einige andere Gefangene einem ´römischen` Offizier übergeben, einem Hauptmann namens Julius, dessen Regiment den Ehrentitel »Kaiserliches Regiment« trug[3].2Wir gingen an Bord eines Schiffes aus Adramyttium, das die Küstenstädte der Provinz Asien anlief, und stachen in See. Aristarch, ein Mazedonier aus Thessalonich, begleitete uns.3Am folgenden Tag legten wir in Sidon an. Julius behandelte Paulus sehr zuvorkommend und erlaubte ihm, seine Freunde aufzusuchen, um sich von ihnen mit allem Nötigen versorgen zu lassen[4].4Wieder auf See, zwang uns ein heftiger Gegenwind[5], im Schutz der Küste von Zypern weiterzusegeln[6].5Als wir dann das offene Meer vor Zilizien und Pamphylien durchquert hatten, legten wir in Myra in Lyzien an.6In Myra fand unser Hauptmann ein Schiff aus Alexandria, das auf dem Weg nach Italien war und auf das er uns umsteigen ließ.7Viele Tage lang machten wir nur wenig Fahrt, und als wir schließlich mit großer Mühe bis auf die Höhe von Knidos gekommen waren, gelang es uns wegen des starken Windes nicht, dort anzulegen[7]. Statt dessen nahmen wir Kurs auf Kreta, steuerten am Kap Salmone vorbei und segelten auf der dem Wind abgekehrten Ostseite an der Insel entlang.8Mit größter Mühe ging es dann an ´der Südküste von` Kreta weiter, bis wir schließlich einen Ort namens Kaloi Limenes[8] erreichten, einen Hafen, der nicht weit von der Stadt Lasäa entfernt ist.9Inzwischen war viel ´kostbare` Zeit verstrichen; sogar der ´jüdische` Fastentag[9] war schon vorüber, und ´so spät im Herbst` war die Schifffahrt mit hohen Risiken verbunden.[10] Deshalb warnte Paulus die Besatzung. (3Mo 16,29; 3Mo 23,26)10»Männer«, sagte er, »ich sehe große Gefahren auf uns zukommen, wenn wir die Reise fortsetzen. Wir riskieren nicht nur den Verlust der Ladung und des Schiffes, sondern setzen auch unser eigenes Leben aufs Spiel.«11Doch der Hauptmann schenkte den Worten des Steuermanns und des Schiffseigentümers[11] mehr Vertrauen als dem, was Paulus sagte.12Und da der Hafen von Kaloi Limenes zum Überwintern wenig geeignet war, sprach sich fast die gesamte Mannschaft dafür aus, noch einmal in See zu stechen. Man wollte versuchen, bis nach Phönix zu kommen, einem ebenfalls auf Kreta gelegenen Hafen, der nur nach Südwesten und Nordwesten hin offen ist[12] ´und daher besseren Schutz bietet[13]`. Dort wollte man dann den Winter über bleiben.
… Irrfahrt im Sturm
13Als nun ein leichter Südwind einsetzte[14], sahen sich die Seeleute in ihrem Vorhaben bestätigt. Sie lichteten die Anker und fuhren so dicht wie möglich an der Küste Kretas entlang.14Doch es dauerte nicht lange, da brach von den Bergen der Insel her ein orkanartiger Sturm über uns herein, der gefürchtete Nordost[15].15Das Schiff wurde mitgerissen, und alle Versuche, es zu drehen und gegen den Wind zu segeln, waren vergeblich[16]. Wir mussten das Schiff dem Sturm preisgeben und uns treiben lassen.16Als wir dann ´eine Zeitlang` im Schutz einer kleinen Insel namens Kauda dahintrieben, gelang es uns – wenn auch nur mit größter Mühe –, das Beiboot[17] unter Kontrolle zu bringen17und an Deck zu holen. Außerdem trafen die Seeleute verschiedene Schutzvorkehrungen: Sie spannten Taue um den Schiffsrumpf, ´um ihn vor dem Auseinanderbrechen zu bewahren`; und weil sie fürchteten, in die Große Syrte[18] ´mit ihren Sandbänken` verschlagen zu werden, brachten sie den Treibanker aus[19] und verlangsamten dadurch das Abdriften[20].18Weil uns der Sturm weiterhin mit unverminderter Gewalt zusetzte, warfen die Seeleute am nächsten Tag einen Teil der Ladung über Bord.19Und wieder einen Tag später beförderten sie sogar Teile der Schiffsausrüstung[21] eigenhändig ins Meer.20Tagelang waren weder die Sonne noch die Sterne zu sehen, ´sodass keinerlei Orientierung möglich war,` und das Unwetter tobte so heftig, dass wir zuletzt jede Hoffnung auf Rettung aufgaben.
… Ermutigung der Besatzung durch Paulus
21Niemand war mehr imstande, etwas zu essen[22], bis Paulus schließlich vor die Schiffsmannschaft[23] trat und sagte: »Ihr Männer! Man hätte auf mich hören und nicht mehr weiterfahren sollen, nachdem wir einmal auf Kreta angelegt hatten; dann wären wir gar nicht erst in diese Gefahr geraten, und all der Schaden wäre uns erspart geblieben.22Aber nachdem jetzt alles so gekommen ist, fordere ich euch auf: Lasst den Mut nicht sinken! Denn nicht ein Einziger von euch wird umkommen; nur das Schiff ist verloren.23Letzte Nacht trat nämlich ein Engel des Gottes, dem ich gehöre und dem ich diene, zu mir24und sagte: ›Paulus, du brauchst dich nicht zu fürchten! ´Gott hat bestimmt, dass` du vor dem Kaiser erscheinen sollst, und deinetwegen wird er allen, die mit dir auf dem Schiff sind, das Leben schenken[24].‹25Fasst also wieder Mut, Männer! Denn ich vertraue Gott und bin überzeugt, dass alles so kommen wird, wie es mir ´durch den Engel` gesagt wurde.26Wir werden – so hat Gott es bestimmt – vor einer Insel stranden.[25]«
… Schiffbruch und Rettung
27So kam schließlich die vierzehnte Nacht, in der wir auf dem Adriatischen Meer[26] dahintrieben. Gegen Mitternacht meinten die Seeleute plötzlich, Anzeichen dafür zu entdecken, dass wir uns einer Küste näherten[27].28Sie warfen das Lot aus und maßen ´eine Wassertiefe von` zwanzig Faden[28]. Kurze Zeit später warfen sie das Lot noch einmal aus und maßen fünfzehn Faden[29].29Jetzt packte sie die Angst, wir könnten irgendwo ´vor der Küste` auf ein Riff auflaufen. Sie warfen vom Heck des Schiffes vier Anker aus und wünschten sehnlichst den Tag herbei.30´In ihrer Verzweiflung` machten sie sogar einen Versuch, das Schiff zu verlassen und zu fliehen. Unter dem Vorwand, sie wollten auch vom Bug aus Anker ausbringen, ließen sie das Beiboot zu Wasser.[30]31Doch Paulus warnte den Hauptmann und die Soldaten: »Wenn diese Männer nicht auf dem Schiff bleiben, habt ihr keine Chance, gerettet zu werden!«32Da kappten die Soldaten die Taue des Beibootes und ließen es davontreiben[31].33Noch bevor es hell wurde, wandte sich Paulus an alle, ´die auf dem Schiff waren,` und bat sie eindringlich, etwas zu essen. »Heute ist schon der vierzehnte Tag«, sagte er, »den ihr in Anspannung und Ungewissheit zubringt[32], und während der ganzen Zeit habt ihr keine richtige Mahlzeit[33] zu euch genommen.34Deshalb fordere ich euch jetzt dringend auf, etwas zu essen; ihr müsst euch stärken, wenn ihr gerettet werden wollt[34]. ´Ich versichere euch, dass` keiner von euch auch nur ein Haar von seinem Kopf verlieren wird.«35Mit diesen Worten nahm er ein Brot, dankte Gott vor allen dafür, brach ein Stück davon ab[35] und begann zu essen.36Da bekamen alle neuen Mut und fingen ebenfalls an zu essen.37Insgesamt befanden sich 276 Personen an Bord.38Als alle satt waren, schüttete man die restliche Getreideladung ins Meer, um das Schiff so leicht wie möglich zu machen.39Endlich wurde es Tag, doch die Küste, ´die die Seeleute nun vor sich sahen,` war ihnen unbekannt. Als sie eine Bucht mit einem flachen Strand entdeckten, wollten sie versuchen, das Schiff dort auf Grund zu setzen.40Sie kappten die Ankertaue, sodass die Anker im Meer zurückblieben, und lösten zugleich die Taue, mit denen man die beiden Steuerruder während des Sturms festgebunden hatte[36]. Dann hissten sie das Vorsegel vor den Wind und hielten auf den Strand zu.41Doch dabei geriet das Schiff auf eine Sandbank[37] und lief auf Grund, ohne dass sie etwas dagegen tun konnten[38]. Der Bug bohrte sich so tief ´in den Sand` ein, dass er unbeweglich festsaß, während das Heck unter der Wucht der Wellen nach und nach auseinander brach.42Da beschlossen die Soldaten, die Gefangenen zu töten, damit keiner von ihnen an Land schwimmen und entkommen konnte.[39]43Doch der Hauptmann, der Paulus das Leben retten wollte, hielt sie von ihrem Vorhaben ab. Er befahl, dass zunächst einmal diejenigen, die schwimmen konnten, über Bord springen und versuchen sollten, das Ufer zu erreichen.44Die Übrigen sollten auf Planken und anderen Wrackteilen[40] folgen. So kam es, dass alle ´unversehrt blieben und` sich an Land retten konnten.