1Weh, mit seinem Zorn umwölkt / der Herr die Tochter Zion!
Er schleuderte vom Himmel zur Erde / die Pracht Israels.
Nicht dachte er an den Schemel seiner Füße / am Tag seines Zornes. (Ps 99,5)2Schonungslos hat der Herr vernichtet / alle Fluren Jakobs,
niedergerissen in seinem Grimm / die Bollwerke der Tochter Juda,
zu Boden gestreckt, entweiht / das Königtum und seine Fürsten.3Abgehauen hat er in Zornesglut / jedes Horn in Israel.
Er zog seine Rechte zurück / angesichts des Feindes
und brannte in Jakob wie flammendes Feuer, / ringsum alles verzehrend.4Er spannte den Bogen wie ein Feind, / stand da - seine Rechte erhoben wie ein Bedränger.
Er erschlug alles, / was das Auge erfreut.
Im Zelt der Tochter Zion / goss er seinen Zorn aus wie Feuer. (Jer 21,5)5Wie ein Feind ist geworden der Herr, / Israel hat er vernichtet.
Vernichtet hat er alle Paläste, / zerstört seine Burgen.
Auf die Tochter Juda hat er gehäuft / Jammer über Jammer.6Er zertrat wie einen Garten seine Wohnstatt, / zerstörte seinen Festort.
Vergessen ließ der HERR auf Zion / Festtag und Sabbat.
In glühendem Zorn verwarf er / König und Priester. (Hos 2,13)7Seinen Altar hat der Herr verschmäht, / verworfen sein Heiligtum,
ausgeliefert in die Hand des Feindes / die Mauern von Zions Palästen.
Man lärmte im Haus des HERRN / wie an einem Festtag.8Zu schleifen plante der HERR / die Mauer der Tochter Zion.
Er spannte die Messschnur und zog nicht zurück / seine Hand vom Vernichten.
Trauern ließ er Wall und Mauer; / miteinander sanken sie nieder. (Jes 34,11)9In den Boden sanken ihre Tore, / ihre Riegel hat er zerstört und zerbrochen.
Ihr König und ihre Fürsten sind unter den Völkern, / keine Weisung ist da,
auch ihre Propheten erhalten / keine Vision mehr vom HERRN. (Hes 7,26)10Am Boden sitzen, verstummt, / die Ältesten der Tochter Zion,
streuen sich Staub aufs Haupt, / legen Trauerkleider an.
Zu Boden senken den Kopf / die Mädchen von Jerusalem.11Meine Augen ermatten vor Tränen, / mein Inneres glüht,
meine Leber ist zu Boden geschüttet / wegen des Zusammenbruches der Tochter, meines Volkes,
da Kind und Säugling verschmachten / auf den Plätzen der Stadt.[1] (Ps 22,15)12Sie sagen zu ihren Müttern: / Wo ist Brot und Wein?,
da sie wie tödlich verwundet verschmachten / auf den Plätzen der Stadt,
da ihr Leben ausgeschüttet ist / auf dem Schoß ihrer Mütter.13Wie soll ich dir zureden, was dir gleichsetzen, / Tochter Jerusalem?
Womit kann ich dich vergleichen, wie dich trösten, / Jungfrau, Tochter Zion?
Ja, dein Zusammenbruch ist groß wie das Meer, / wer kann dich heilen? (Jer 8,21)14Deine Propheten schauten dir / Lug und Trug.
Deine Schuld haben sie nicht aufgedeckt, / um dein Schicksal zu wenden.
Sie schauten dir als Prophetenworte / nur Trug und Verführung. (Jer 14,14)15Über dich klatschen in die Hände / alle, die des Weges ziehen.
Sie pfeifen und schütteln den Kopf / über die Tochter Jerusalem:
Ist das die Stadt, die man nannte: / Krone der Schönheit, Entzücken der ganzen Welt? (Ps 48,3; Jer 19,8)16Über dich reißen ihr Maul auf / all deine Feinde.
Sie pfeifen und fletschen die Zähne, / sie sprechen: Wir haben sie vernichtet.
Das ist der Tag, auf den wir hofften. / Wir haben ihn erreicht und gesehen.17Getan hat der HERR, was er geplant, / seinen Drohspruch vollzogen,
den er seit alters verkündet hat. / Schonungslos hat er niedergerissen.
Den Feind ließ er über dich jubeln, / richtete auf die Macht deiner Bedränger.18Ihr Herz schreit laut zum Herrn. / Mauer der Tochter Zion,
lass fließen wie einen Bach die Tränen / Tag und Nacht!
Niemals gewähre dir Ruhe, / nie lass deinen Augapfel rasten!19Steh auf, klage bei Nacht, / zu jeder Nachtwache Anfang!
Schütte aus wie Wasser dein Herz / vor dem Angesicht des Herrn!
Erhebe zu ihm die Hände / für deiner Kinder Leben,
die vor Hunger verschmachten / an den Ecken aller Straßen!20HERR, sieh doch und schau: / Wem hast du solches getan?
Dürfen Frauen ihre Leibesfrucht essen, / die sorgsam gehegten Kinder?
Dürfen im Heiligtum des Herrn / Priester und Prophet erschlagen werden? (5Mo 28,53; Jer 19,9; Kla 4,10)21Am Boden liegen in den Gassen / Kind und Greis.
Meine Mädchen und jungen Männer / fielen unter dem Schwert.
Du hast sie erschlagen am Tag deines Zorns, / schonungslos geschlachtet.22Wie zum Festtag hast du von ringsum gerufen, / wovor mir graut.
Am Zorntag des HERRN gab es keinen, / der entkam und entrann.
Die ich hegte und großzog, / mein Feind hat sie vernichtet. (Jes 49,20)
Klagelieder 2
Lutherbibel 2017
Klage über die Verwüstung Judas und Jerusalems
1Ach, wie hat der Herr die Tochter Zion mit seinem Zorn überschüttet! Er hat die Herrlichkeit Israels vom Himmel auf die Erde geworfen; er hat nicht gedacht an seinen Fußschemel am Tage seines Zorns. (Ps 132,7)2Der Herr hat alle Wohnungen Jakobs ohne Erbarmen vertilgt, er hat die Burgen der Tochter Juda abgebrochen in seinem Grimm, er hat zu Boden gestreckt und entweiht ihr Königreich und ihre Fürsten.3Er hat alle Macht Israels in seinem grimmigen Zorn zerbrochen, er hat seine rechte Hand zurückgezogen, als der Feind kam, und hat in Jakob gewütet wie ein flammendes Feuer, das alles ringsum verzehrt.4Er hat seinen Bogen gespannt wie ein Feind; seine rechte Hand hat er geführt wie ein Widersacher und hat alles getötet, was lieblich anzusehen war; im Zelt der Tochter Zion hat er seinen Grimm wie Feuer ausgeschüttet.5Der Herr ist wie ein Feind geworden, er hat Israel vertilgt. Er hat zerstört alle Paläste und hat die Burgen vernichtet; er hat der Tochter Juda viel Jammer und Leid gebracht.6Er hat sein eigenes Zelt zerwühlt wie einen Garten und seine Wohnung vernichtet. Der HERR hat in Zion Feiertag und Sabbat vergessen lassen, und in seinem grimmigen Zorn ließ er König und Priester schänden. (Kla 5,12; Hos 2,13)7Der Herr hat seinen Altar verworfen und sein Heiligtum entweiht. Er hat die Mauern ihrer Paläste in des Feindes Hände gegeben, dass sie im Hause des HERRN Geschrei erhoben haben wie an einem Feiertag.8Der HERR gedachte zu vernichten die Mauer der Tochter Zion; er hat die Messschnur über die Mauern gezogen und seine Hand nicht abgewendet, bis er sie vertilgte. Er ließ Mauer und Wall trauern und miteinander fallen. (2Kön 21,13)9Ihre Tore sind tief in die Erde gesunken; er hat ihre Riegel zerbrochen und zunichtegemacht. Ihr König und ihre Fürsten sind unter den Völkern, wo sie das Gesetz nicht üben können, und ihre Propheten haben keine Gesichte vom HERRN.10Die Ältesten der Tochter Zion sitzen auf der Erde und sind still, sie werfen Staub auf ihre Häupter und haben den Sack angezogen. Die Jungfrauen von Jerusalem senken ihre Köpfe zur Erde.11Ich habe mir fast die Augen ausgeweint, mein Leib tut mir weh, mein Herz ist auf die Erde ausgeschüttet über dem Jammer der Tochter meines Volks, weil die Säuglinge und Unmündigen auf den Gassen in der Stadt verschmachten.12Zu ihren Müttern sprechen sie: Wo ist Brot und Wein?, da sie auf den Gassen in der Stadt verschmachten wie die tödlich Verwundeten und in den Armen ihrer Mütter den Geist aufgeben.13Ach, du Tochter Jerusalem, wem soll ich dich vergleichen und wie soll ich dir zureden? Du Jungfrau, Tochter Zion, wem soll ich dich vergleichen, damit ich dich tröste? Denn dein Schaden ist groß wie das Meer. Wer kann dich heilen?14Deine Propheten haben dir trügerische und törichte Gesichte verkündet und dir deine Schuld nicht offenbart, wodurch sie dein Geschick abgewandt hätten, sondern sie haben dich Worte hören lassen, die Trug waren und dich verführten. (Jer 14,14; Jer 23,16)15Alle, die vorübergehen, klatschen in die Hände, pfeifen und schütteln den Kopf über die Tochter Jerusalem: Ist das die Stadt, von der man sagte, sie sei die allerschönste, an der sich alles Land freut? (Ps 48,3; Hes 16,14)16Alle deine Feinde reißen ihr Maul auf über dich, pfeifen und knirschen mit den Zähnen und sprechen: »Ha! Wir haben sie vertilgt! Das ist der Tag, den wir begehrt haben; wir haben’s erlangt, wir haben’s erlebt.«17Der HERR hat getan, was er vorhatte; er hat sein Wort erfüllt, das er längst zuvor geboten hat. Er hat ohne Erbarmen zerstört, er hat den Feind über dich frohlocken lassen und hat die Macht deiner Widersacher erhöht.18Ihr Herz schrie zum Herrn: »Ach, du Mauer der Tochter Zion!« Lass Tag und Nacht Tränen herabfließen wie einen Bach; höre nicht auf, und dein Augapfel lasse nicht ab!19Steh des Nachts auf und schreie zu Beginn jeder Nachtwache, schütte dein Herz aus vor dem Herrn wie Wasser. Hebe deine Hände zu ihm auf um des Lebens deiner jungen Kinder willen, die vor Hunger verschmachten an allen Straßenecken!20HERR, schaue und sieh doch, wen du so verderbt hast! Sollen denn die Frauen ihres Leibes Frucht essen, die Kindlein, die man auf Händen trägt? Sollen denn Propheten und Priester in dem Heiligtum des Herrn erschlagen werden? (5Mo 28,53; Jer 19,9)21Es lagen in den Gassen auf der Erde Knaben und Alte; meine Jungfrauen und Jünglinge sind durchs Schwert gefallen. Du hast getötet am Tage deines Zorns, du hast ohne Erbarmen geschlachtet.22Du hast von allen Seiten her meine Feinde gerufen wie zu einem Feiertag, sodass niemand am Tage des Zorns des HERRN entronnen und übrig geblieben ist. Die ich auf den Händen getragen und großgezogen habe, die hat der Feind umgebracht.