1Der Hohe Priester fragte Stephanus: »Stimmen diese Anschuldigungen?«2Stephanus antwortete: »Brüder und ehrwürdige Väter, hört mich an. Unser herrlicher Gott erschien unserem Vorfahren Abraham in Mesopotamien, ehe er nach Haran[1] zog. (Ge 11:31; Ge 15:7; Ac 22:1)3Gott gebot ihm: ›Verlass deine Heimat und deine Verwandten und geh in das Land, das ich dir zeigen werde.‹[2] (Ge 12:1)4Da verließ Abraham das Land der Chaldäer und lebte in Haran, bis sein Vater starb. Dann führte Gott ihn hierher in das Land, in dem ihr heute lebt. (Ge 12:5; Heb 11:8)5Aber Gott wies ihm dort kein Erbe zu, nicht einen einzigen Fußbreit Land. Doch er versprach ihm, dass das ganze Land einmal ihm und seinen Nachkommen gehören sollte – obwohl Abraham bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Kinder hatte. (Ge 12:7; Ge 13:15; Ge 17:8; Ge 24:7)6Gott sagte ihm aber auch, dass seine Nachkommen in einem fremden Land leben würden, wo man sie vierhundert Jahre lang als Sklaven ausbeuten würde. (Ge 15:1)7›Aber ich werde das Volk bestrafen, das sie versklavt‹, sprach Gott, ›und am Ende werden sie kommen und mich hier an diesem Ort anbeten.‹[3] (Ex 3:12)8Damals gab Gott Abraham auch den Bund der Beschneidung. So wurde Isaak, der Sohn Abrahams, beschnitten, als er acht Tage alt war. Isaak wurde der Vater Jakobs, und Jakob war der Vater der zwölf Patriarchen des jüdischen Volkes. (Ge 17:10; Ge 21:2; Ge 25:26; Ge 35:23)9Die Söhne Jakobs waren eifersüchtig auf ihren Bruder Josef und verkauften ihn als Sklaven nach Ägypten. Doch Gott ließ ihn nicht allein (Ge 37:28; Ge 39:2; Ps 105:17)10und rettete ihn aus seiner Not. Er schenkte ihm das Wohlwollen des Pharaos, des ägyptischen Königs, und verlieh ihm große Weisheit, sodass Pharao ihn zum Statthalter über ganz Ägypten ernannte und ihm die Verantwortung über alle Angelegenheiten des Palastes übertrug. (Ge 41:37; Ps 105:21)11Dann kam eine Hungersnot über Ägypten und Kanaan. Unsere Vorfahren gerieten in große Not, als sie nichts mehr zu essen hatten. (Ge 41:54)12Jakob hörte, dass es in Ägypten noch Getreide gab, und schickte seine Söhne[4], um etwas davon zu kaufen. (Ge 42:1)13Als sie zum zweiten Mal nach Ägypten kamen, gab Josef sich seinen Brüdern zu erkennen, und auch der Pharao erfuhr davon. (Ge 45:1)14Josef ließ seinen Vater Jakob und alle seine Angehörigen nach Ägypten holen, insgesamt fünfundsiebzig Personen. (Ge 45:9; Ge 46:26; De 10:22)15Daraufhin zog Jakob nach Ägypten und starb dort, wie auch alle seine Söhne. (Ge 46:5; Ge 49:33; Ex 1:6)16Sie wurden nach Sichem gebracht und dort in dem Grab beigesetzt, das Abraham von den Söhnen Hamors in Sichem gekauft hatte. (Ge 23:16)17Als sich das Versprechen, das Gott Abraham gegeben hatte, erfüllen sollte, war unser Volk in Ägypten sehr groß geworden. (Ex 1:1; Ps 105:24)18Ein anderer Pharao bestieg den Thron Ägyptens, der nichts von Josef wusste.19Er plante Böses gegen unser Volk. Er zwang unsere Väter, ihre neugeborenen Kinder auszusetzen, sodass sie starben. (Ex 1:10)20In dieser Zeit wurde Mose geboren – ein schönes Kind in Gottes Augen. Drei Monate sorgten seine Eltern zu Hause für ihn. (Ex 2:2; Heb 11:23)21Als sie ihn schließlich aussetzen mussten, fand ihn die Tochter des Pharaos und zog ihn auf wie ihren eigenen Sohn. (Ex 2:3)22Mose wurde in allem Wissen der Ägypter unterrichtet und wuchs zu einem wortgewandten, tatkräftigen Mann heran. (1Ki 5:10; Isa 19:11)23Als er vierzig Jahre alt war, beschloss er eines Tages, seine Brüder und Schwestern aus dem Volk Israel aufzusuchen. (Ex 2:11)24Unterwegs sah er, wie ein Ägypter einen Israeliten misshandelte. Mose kam ihm zu Hilfe, rächte ihn und erschlug den Ägypter.25Er nahm an, seine Landsleute würden nun erkennen, dass Gott ihn beauftragt hatte, sie zu retten, aber das taten sie nicht.26Am nächsten Tag besuchte er sie wieder und sah zwei Israeliten miteinander kämpfen. Er versuchte, Frieden zwischen ihnen zu stiften. ›Männer‹, sagte er, ›ihr seid doch Brüder. Warum schadet ihr einander?‹ (Ex 2:1)27Doch der Mann, der im Unrecht war, stieß Mose beiseite: ›Wer hat dich zum Herrscher und Richter über uns gemacht?‹, fragte er.28›Willst du mich vielleicht auch umbringen, so wie den Ägypter gestern?‹29Als Mose das hörte, floh er aus Ägypten und lebte als Fremder im Land Midian, wo auch seine beiden Söhne geboren wurden. (Ex 2:15)30Vierzig Jahre später erschien Mose in der Wüste am Berg Sinai ein Engel in den Flammen eines brennenden Busches. (Ex 3:1)31Mose sah es und fragte sich, was das wohl sein mochte. Als er näher kam, um es sich anzusehen, hörte er die Stimme des Herrn:32›Ich bin der Gott deiner Väter – der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs.‹ Da zitterte Mose vor Angst und Schrecken und wagte nicht hinzuschauen. (Ex 3:1)33Der Herr sagte zu ihm: ›Zieh deine Sandalen aus, denn du stehst auf heiligem Boden.34Ich versichere dir, dass mir das Leid meines Volkes in Ägypten nicht verborgen geblieben ist. Ich habe ihr Schreien gehört und bin gekommen, um sie zu retten. Nun geh, denn ich sende dich nach Ägypten.‹[5]35Und so sandte Gott den Mann zurück, den sein Volk abgewiesen hatte, als sie fragten: ›Wer hat dich zum Herrscher und Richter über uns gemacht?‹ Durch den Engel, der ihm in dem brennenden Busch erschienen war, wurde Mose als ihr Anführer und Befreier eingesetzt. (Ex 2:1)36Und tatsächlich führte er das Volk unter vielen Zeichen und Wundern aus Ägypten heraus, durch das Rote Meer und vierzig Jahre lang durch die Wüste. (Ex 7:3; Ex 12:41)37Mose selbst erklärte dem Volk Israel: ›Gott wird einen Propheten wie mich aus eurem Volk erwählen.‹[6] (De 18:1; Ac 3:22)38Mose war in der Wüste der Vermittler zwischen dem Volk Israel und dem Engel, der ihm auf dem Berg Sinai Worte des Lebens für uns mitgab. (Ex 19:1; De 32:45)39Doch unsere Vorfahren wollten Mose nicht folgen. Sie lehnten ihn ab und wollten nach Ägypten zurückkehren. (Nu 14:3)40Sie sagten zu Aaron: ›Mach uns Götter, die vor uns hergehen können, denn wir wissen nicht, was aus diesem Mose geworden ist, der uns aus Ägypten herausgeführt hat.‹ (Ex 32:1)41Und so machten sie sich ein Kalb als Götzen, dem sie Opfer darbrachten, und freuten sich über das Werk ihrer Hände.42Da wandte Gott sich von ihnen ab und überließ sie der Anbetung von Sonne, Mond und Sternen! Im Buch der Propheten steht geschrieben: ›Habt ihr eure Opfer während dieser vierzig Jahre in der Wüste etwa mir gebracht, Israel? (Am 5:25)43Nein, euer eigentliches Interesse galt dem Zelt des Moloch, dem Sternbild eures Gottes Räfan und den Götzenfiguren, die ihr euch gemacht habt, um sie anzubeten. Deshalb schicke ich euch weit fort in die Gefangenschaft, noch weiter als Babylon.‹[7]44Unsere Vorfahren trugen das Bundeszelt[8] mit sich durch die Wüste. Es war genau nach dem Plan angefertigt worden, den Gott Mose gegeben hatte. (Ex 25:9; Heb 8:5)45Und es wurde an unsere Väter weitergegeben und sie nahmen es unter der Führung Josuas mit in das Gebiet, aus welchem Gott die fremden Völker vor ihnen her vertrieben hatte. Und dort blieb das Bundeszelt bis zur Zeit Davids. (Jos 3:14; Jos 18:1; Jos 23:9; 2Sa 7:2)46David fand Gnade vor Gott und bat darum, dem Gott Jakobs[9] einen Tempel bauen zu dürfen. (2Sa 7:2; 1Ki 8:17; Ps 132:1)47Doch es war Salomo, der das Haus schließlich erbaute. (1Ki 6:1)48Aber der Höchste wohnt nicht in Häusern, die von Menschenhand errichtet wurden. Der Prophet sagt: (2Ch 2:5; Isa 57:15; Eph 2:22; 1Pe 2:5)49›Der Himmel ist mein Thron und die Erde der Schemel für meine Füße. Könnt ihr mir ein Haus bauen, das diesem gleichkommt?‹, fragt der Herr. ›Könnt ihr mir eine Wohnung bauen? (Isa 66:1)50Habe ich nicht alles im Himmel und auf der Erde erschaffen?‹[10]51Starrköpfig seid ihr! Im Herzen seid ihr wie die Menschen, die Gott nicht kennen, und taub für die Wahrheit. Könnt ihr nicht endlich aufhören, euch dem Heiligen Geist zu widersetzen? Eure Vorfahren taten es, und ihr macht es genauso! (Ex 32:9; Ex 33:3)52Nennt mir nur einen einzigen Propheten, den eure Vorfahren nicht verfolgt haben! Sie gingen sogar so weit, diejenigen umzubringen, die das Kommen des Gerechten prophezeiten, den ihr nun verraten und ermordet habt. (Mt 23:30)53Ihr habt Gottes Gesetz mit Absicht missachtet, obwohl ihr es durch die Hand von Engeln empfangen habt.[11]« (Ga 3:19)54Die Anschuldigungen, die Stephanus gegen sie erhob, versetzten die führenden Männer des jüdischen Volkes in maßlose Wut.[12]55Doch Stephanus, vom Heiligen Geist erfüllt, blickte unverwandt zum Himmel hinauf, wo er die Herrlichkeit Gottes sah, und er sah Jesus auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes stehen. (Heb 1:3)56Er sagte zu ihnen: »Schaut doch, ich sehe den Himmel offen und den Menschensohn auf dem Ehrenplatz zur Rechten Gottes stehen!« (Mt 3:16)57Da hielten sie sich die Ohren zu, schrien mit lauter Stimme und stürzten sich auf ihn.58Sie schleppten ihn hinaus vor die Stadt und steinigten ihn. Die amtlichen Zeugen der Hinrichtung zogen ihre Mäntel aus und legten sie zu Füßen eines jungen Mannes mit Namen Saulus[13] nieder. (Le 24:14; De 17:7)59Während sie ihn steinigten, betete Stephanus: »Herr Jesus, nimm meinen Geist auf.« (Ps 31:6; Lu 23:46)60Und kniend rief er: »Herr, rechne ihnen diese Sünde nicht an!« Mit diesen Worten starb er. (Lu 23:34)