1Ich bin der Mann, der Leid erlebt hat / durch die Rute seines Grimms.2Er hat mich getrieben und gedrängt / in Finsternis, nicht ins Licht. (Ps 23,4)3Täglich von Neuem kehrt er die Hand / nur gegen mich.4Er zehrte aus mein Fleisch und meine Haut, / zerbrach meine Glieder,5umbaute und umschloss mich / mit Gift und Erschöpfung.6Im Finstern ließ er mich wohnen / wie längst Verstorbene. (Jes 59,9)7Er hat mich ummauert, ich kann nicht entrinnen. / Er hat mich in schwere Fesseln gelegt.8Wenn ich auch schrie und flehte, / er versperrte den Weg meinem Gebet. (Ps 22,3)9Mit Quadern hat er mir die Wege verriegelt, / meine Pfade irregeleitet. (Hi 19,8)10Ein lauernder Bär war er mir, / ein Löwe im Versteck.11Er ließ meine Wege sich verstricken, / machte mich regungslos und einsam.12Er spannte den Bogen und stellte mich hin / als Ziel für den Pfeil. (Hi 16,12)13In die Nieren ließ er mir dringen / die Geschosse seines Köchers.14Ein Gelächter war ich all meinem Volk, / ihr Spottlied den ganzen Tag. (Jer 20,7)15Er speiste mich mit bitterer Kost / und tränkte mich mit Wermut. (Hi 9,18; Jer 9,14)16Meine Zähne ließ er auf Kiesel beißen, / er drückte mich in den Staub.17Du hast mich aus dem Frieden hinausgestoßen; / ich habe vergessen, was Glück ist.18Ich sprach: Dahin ist mein Glanz / und mein Vertrauen auf den HERRN.19An meine Not und Unrast denken / ist Wermut und Gift.20Immer denkt meine Seele daran / und ist betrübt in mir. (Ps 42,6; Ps 43,5)21Das will ich mir zu Herzen nehmen, / darauf darf ich harren:22Die Huld des HERRN ist nicht erschöpft, / sein Erbarmen ist nicht zu Ende.23Neu ist es an jedem Morgen; / groß ist deine Treue.24Mein Anteil ist der HERR, sagt meine Seele, / darum harre ich auf ihn.25Gut ist der HERR zu dem, der auf ihn hofft, / zur Seele, die ihn sucht.26Gut ist es, schweigend zu harren / auf die Hilfe des HERRN. (Hi 1,22; Hi 2,10)27Gut ist es für den Mann, / ein Joch zu tragen in der Jugend.28Er sitze einsam und schweige, / denn er hat es ihm auferlegt. (Kla 1,1)29Er beuge in den Staub seinen Mund; / vielleicht ist noch Hoffnung.30Er biete die Wange dem, der ihn schlägt, / und lasse sich sättigen mit Schmach.31Denn nicht für immer / verwirft der Herr. (Ps 77,8; Jes 54,7)32Hat er betrübt, erbarmt er sich auch wieder / nach seiner großen Huld. (Jes 63,7)33Denn nicht freudigen Herzens / plagt und betrübt er die Menschenkinder.34Dass man mit Füßen tritt / alle Gefangenen des Landes,35dass man das Recht des Mannes beugt / vor dem Antlitz des Höchsten,36dass man im Rechtsstreit den Menschen bedrückt, / sollte der Herr das nicht sehen?37Wer hat gesprochen und es geschah? / Hat nicht der Herr es geboten?38Geht nicht hervor aus des Höchsten Mund / das Gute wie auch das Böse? (Jes 45,7)39Wie dürfte denn ein Lebender klagen, / ein Mann über seine Sünden?40Prüfen wir unsre Wege, erforschen wir sie / und kehren wir um zum HERRN! (Kla 3,8)41Erheben wir unser Herz samt den Händen / zu Gott im Himmel!42Wir haben gesündigt und uns widersetzt; / du hast nicht vergeben.43Du hast uns in Zorn gehüllt und verfolgt, / getötet und nicht geschont.44Du hast dich in Wolken gehüllt, / kein Gebet kann sie durchstoßen. (5Mo 4,29)45Zu Unrat und Auswurf hast du uns gemacht / inmitten der Völker.46Ihren Mund rissen gegen uns auf / all unsre Feinde.47Grauen und Grube wurde uns zuteil, / Verwüstung und Verderben.48Tränenströme vergießt mein Auge / über den Zusammenbruch der Tochter, meines Volkes. (Jer 8,23; Kla 2,11)49Mein Auge ergießt sich und ruht nicht; / es hört nicht auf,50bis der HERR vom Himmel her / sieht und schaut.51Mein Auge schmerzt mich / wegen all der Töchter meiner Stadt.52Wie auf einen Vogel machten sie Jagd auf mich, / die ohne Grund meine Feinde sind.53Sie stürzten in die Grube mein Leben / und warfen Steine auf mich. (Ps 88,7)54Das Wasser ging mir über den Kopf; / ich sagte: Ich bin verloren. (Ps 69,2)55Da rief ich deinen Namen, HERR, / tief unten aus der Grube.56Du hörtest meine Stimme: / Verschließ nicht dein Ohr / vor meinem Seufzen, meinem Schreien!57Du warst nahe am Tag, da ich dich rief; / du sagtest: Fürchte dich nicht!58Du, Herr, hast meine Sache geführt, / hast mein Leben erlöst.59Du, HERR, hast meine Bedrückung gesehen. / Verschaffe mir Recht!60Du hast gesehen ihre ganze Rachgier, / all ihr Planen gegen mich. (Jer 11,18)61Du hast ihr Schmähen gehört, o HERR, / all ihr Planen gegen mich.62Das Denken und Reden meiner Gegner / ist gegen mich den ganzen Tag.63Blick auf ihr Sitzen und Stehen! / Ein Spottlied bin ich für sie.64Vergilt ihnen, HERR, / nach dem Tun ihrer Hände! (Kla 1,22; Kla 4,20)65Gib ihnen ein verhärtetes Herz! / Dein Fluch über sie!66Verfolge sie im Zorn und vernichte sie / unter dem Himmel des HERRN!
Klagelieder 3
Lutherbibel 2017
Klage und Trost eines Leidenden
1Ich bin der Mann, der Elend sehen muss durch die Rute seines Grimmes.2Er hat mich geführt und gehen lassen in die Finsternis und nicht ins Licht.3Er hat seine Hand gewendet gegen mich und erhebt sie gegen mich Tag für Tag.4Er hat mir Fleisch und Haut alt gemacht und mein Gebein zerschlagen.5Er hat mich ringsum eingeschlossen und mich mit Bitternis und Mühsal umgeben.6Er hat mich in Finsternis versetzt wie die, die längst tot sind.7Er hat mich ummauert, dass ich nicht herauskann, und mich in harte Fesseln gelegt.8Und wenn ich auch schreie und rufe, so stopft er sich die Ohren zu vor meinem Gebet. (Ps 22,3; Ps 69,4)9Er hat meinen Weg vermauert mit Quadern und meinen Pfad zum Irrweg gemacht.10Er hat auf mich gelauert wie ein Bär, wie ein Löwe im Verborgenen.11Er lässt mich den Weg verfehlen, er hat mich zerfleischt und zunichtegemacht.12Er hat seinen Bogen gespannt und mich dem Pfeil zum Ziel gegeben.13Er hat mir seine Pfeile in die Nieren geschossen.14Ich bin ein Hohn für mein ganzes Volk und täglich ihr Spottlied. (Hi 30,9)15Er hat mich mit Bitterkeit gesättigt und mit Wermut getränkt.16Er hat mich auf Kiesel beißen lassen, er drückte mich nieder in die Asche.17Meine Seele ist aus dem Frieden vertrieben; ich habe das Gute vergessen.18Ich sprach: Mein Ruhm und meine Hoffnung auf den HERRN sind dahin.19Gedenke doch, wie ich so elend und verlassen, mit Wermut und Bitterkeit getränkt bin!20Du wirst ja daran gedenken, denn meine Seele sagt mir’s.21Dies nehme ich zu Herzen, darum hoffe ich noch:22Die Güte des HERRN ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, (Neh 9,31)23sondern sie ist alle Morgen neu, und deine Treue ist groß.24Der HERR ist mein Teil, spricht meine Seele; darum will ich auf ihn hoffen. (Ps 16,5; Ps 73,26)25Denn der HERR ist freundlich dem, der auf ihn harrt, und dem Menschen, der nach ihm fragt.26Es ist ein köstlich Ding, geduldig sein und auf die Hilfe des HERRN hoffen. (Röm 8,25)27Es ist ein köstlich Ding für einen Mann, dass er das Joch in seiner Jugend trage.28Er sitze einsam und schweige, wenn Gott es ihm auferlegt,29und stecke seinen Mund in den Staub; vielleicht ist noch Hoffnung.30Er biete die Backe dar dem, der ihn schlägt, und lasse sich viel Schmach antun. (Mt 5,39)31Denn der Herr verstößt nicht ewig; (Jes 54,8)32sondern er betrübt wohl und erbarmt sich wieder nach seiner großen Güte.33Denn nicht von Herzen plagt und betrübt er die Menschen.34Wenn man alle Gefangenen auf Erden unter die Füße tritt35und eines Mannes Recht vor dem Allerhöchsten beugt36und eines Menschen Sache verdreht, – sollte das der Herr nicht sehen?37Wer darf denn sagen, dass solches geschieht ohne des Herrn Befehl (Jes 45,7; Am 3,6)38und dass nicht Böses und Gutes kommt aus dem Munde des Allerhöchsten?39Was murren denn die Leute im Leben, ein jeder über die Folgen seiner Sünde?40Lasst uns erforschen und prüfen unsern Wandel und uns zum HERRN bekehren!41Lasst uns unser Herz samt den Händen aufheben zu Gott im Himmel!42Wir, wir haben gesündigt und sind ungehorsam gewesen, darum hast du nicht vergeben. (Ps 106,6)43Du hast dich in Zorn gehüllt und uns verfolgt und ohne Erbarmen getötet.44Du hast dich mit einer Wolke verdeckt, dass kein Gebet hindurchkonnte.45Du hast uns zu Kehricht und Unrat gemacht unter den Völkern.46Alle unsere Feinde reißen ihr Maul auf über uns.47Wir werden gedrückt und geplagt mit Schrecken und Angst.48Wasserbäche rinnen aus meinen Augen über den Jammer der Tochter meines Volks.49Meine Augen fließen und können’s nicht lassen, und es ist kein Aufhören da,50bis der HERR vom Himmel herabschaut und darein sieht. (Ps 102,20)51Mein Auge macht mir Schmerzen wegen all der Töchter meiner Stadt.52Meine Feinde haben mich ohne Grund gejagt wie einen Vogel.53Sie haben mein Leben in der Grube zunichtegemacht und Steine auf mich geworfen.54Wasser hat mein Haupt überschwemmt; da sprach ich: Nun bin ich verloren.55Ich rief aber deinen Namen an, HERR, unten aus der Grube,56und du erhörtest meine Stimme: »Verbirg deine Ohren nicht vor meinem Seufzen und Schreien!«57Du nahtest dich zu mir, als ich dich anrief, und sprachst: Fürchte dich nicht!58Du führst, Herr, meine Sache und erlöst mein Leben.59Du siehst, HERR, wie mir Unrecht geschieht; hilf mir zu meinem Recht!60Du siehst, wie sie Rache üben wollen, und kennst alle ihre Gedanken gegen mich.61HERR, du hörst ihr Schmähen und alle ihre Anschläge gegen mich,62die Reden meiner Widersacher und ihr Geschwätz über mich den ganzen Tag.63Sieh doch: Ob sie sitzen oder aufstehen, singen sie über mich Spottlieder.64Vergilt ihnen, HERR, wie sie verdient haben! (Ps 137,8; Kla 1,21; 1Petr 2,23; 1Petr 3,9)65Lass ihnen das Herz verstockt werden, lass sie deinen Fluch fühlen!66Verfolge sie mit Grimm und vertilge sie unter dem Himmel des HERRN.