Wie Jeremia in fünf kunstvollen Liedern über die Zerstörung der geliebten Gottesstadt trauert. Jerusalem klagt über sein Elend
1Wie einsam sitzt sie da / die stark bevölkerte Stadt. / Einer Witwe gleicht nun / die Große unter den Völkern. / Die Fürstin der Provinzen / muss Zwangsarbeit tun.[1]2Sie weint und weint in der Nacht, / Tränen sind auf ihren Wangen. / Keiner ist da, der sie tröstet, / keiner von ihren Geliebten. / Untreu sind all ihre Freunde, / ja zu Feinden wurden sie.3Juda zog in die Gefangenschaft, / weg aus Elend und schwerer Schinderei. / Nun wohnt es unter den Völkern / und findet keine Ruhe mehr. / Alle seine Verfolger holten es ein, / von allen Seiten ist es bedrängt.4Die Wege nach Zion trauern, / denn niemand kommt zum Fest. / Menschenleer sind ihre Tore. / Die Priester seufzen. / Traurig sind die jungen Frauen. / Zion selbst leidet bitteren Schmerz.5Ihre Gegner sind an der Macht, / ihren Feinden geht es wohl. / Jahwe hat ihr das Leid geschickt / wegen der Menge ihrer Verbrechen. / Ihre Kinder hat der Feind geraubt, / er trieb die Gefangenen vor sich her.6So schwand der Tochter Zion[2] / alle ihre Pracht. / Ihre Oberen wurden wie Hirsche, / die keine Weide mehr finden. / Kraftlos zogen sie dahin, / die Jäger hinter ihnen her.7In den Tagen ihres Elends / und ihrer Heimatlosigkeit / denkt Jerusalem an die Schätze, / die es einst besessen hat. / Als ihr Volk in Feindeshand fiel, / gab es keinen, der ihr half. / Ihre Feinde schauten zu / und lachten, als sie unterging.8Schwer gesündigt hat Jerusalem, / deshalb wurde die Stadt zum Gespött. / Ihre Verehrer verachten sie, / denn sie sahen sie nackt. / Sie selbst aber seufzt / und wendet sich ab.9Ihr Unflat klebt an ihrem Saum, / ihr Ende hat sie nicht bedacht. / Entsetzlich tief ist sie gefallen / und hat keinen, der sie tröstet. / "Jahwe, sieh mein Elend an, / sieh, wie der Feind triumphiert!"10Der Feind hat seine Hand / nach ihren Schätzen ausgestreckt. / Hilflos musste sie ansehen, / wie Fremde in ihr Heiligtum drangen. / Fremde, denen du verboten hast, / in ihre Versammlung zu kommen.11Alle Einwohner seufzen / auf der Suche nach Brot. / Sie geben ihre Kostbarkeiten für Nahrung, / nur um am Leben zu bleiben. / "Sieh doch, Jahwe, / und schau, wie verachtet ich bin!12Nichts dergleichen möge euch treffen, / die ihr hier vorübergeht! / Schaut her, wo gibt es solche Qualen, / wie ich sie jetzt erleiden muss? / Jahwe hat sie mir auferlegt / am Tag seines lodernden Zorns.13Von oben schickte er Feuer auf mich; / es wütet in meinen Gebeinen. / Er spannte ein Netz für meine Füße, / rücklings riss er mich nieder. / Er hat mich einsam gemacht, / krank für alle Zeit.14Schwer ist das Joch meiner Sünden, / das er mir zusammengeflochten hat. / Er packte es mir auf den Hals, / da bin ich zusammengebrochen. / Der Herr lieferte mich Menschen aus, / denen ich nicht standhalten kann.15Der Herr verwarf alle Helden, / die in meiner Mitte waren. / Er rief Feinde gegen mich zusammen, / um meine Mannschaft zu zerschlagen. / Der Herr hat Juda zertreten, / wie man Trauben in der Kelter zertritt.16Darüber weine ich mich aus, / mein Auge zerfließt vor Tränen. / Ich habe keinen, der mich tröstet, / keinen, der mir Erleichterung bringt. / Meine Söhne sind ganz verstört, / denn der Feind hat sie in der Hand."17Die Zionsstadt ringt ihre Hände, / doch niemand ist da, der sie tröstet. / Die Nachbarn rief Jahwe als Feinde herbei. / Jerusalem ist für sie zum Abscheu geworden.18"Er, Jahwe, ist im Recht, / denn ich habe mich ihm widersetzt. / Hört es, alle Völker, / und seht auf meinen Schmerz! / Meine Mädchen, meine jungen Männer / zogen alle als Gefangene fort."19Ich rief nach meinen Freunden, / doch sie ließen mich im Stich. / Meine Ältesten und meine Priester / verhungerten in der Stadt, / als sie Nahrung suchten, / um leben zu können.20Jahwe sieh, ich habe Angst! / Es brennt in meinem Inneren! / Das Herz dreht sich mir im Leib herum, / weil ich so schrecklich widerspenstig war. / Draußen raubte das Schwert meine Kinder / und drinnen tat es der Tod.21Man hört mich seufzen, / doch keiner tröstet mich. / Alle meine Feinde hörten von meinem Unglück / und freuten sich, dass du das getan hast. / Bring den Tag herbei, den du angekündigt hast, / dann ergeht es ihnen wie mir.22All ihre Bosheit komme vor dich! / Dann vergelte ihnen alles, / was du mir vergaltst / wegen meiner Verbrechen. / Ich seufze ohne Ende, / der Kummer macht mich krank.
Klagelieder 1
Lutherbibel 2017
Jerusalem klagt und fleht um Hilfe
1Ach, wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern, und die eine Königin in den Ländern war, muss nun dienen. (Jer 51,5)2Sie weint des Nachts, dass ihr die Tränen über die Backen laufen. Es ist niemand unter allen ihren Liebhabern, der sie tröstet. Alle ihre Freunde sind ihr untreu und ihre Feinde geworden. (Ps 69,21)3Juda ist gefangen in Elend und schwerem Dienst, es wohnt unter den Völkern und findet keine Ruhe; alle seine Verfolger kommen heran in Bedrängnissen.4Die Straßen nach Zion liegen wüst, weil niemand auf ein Fest kommt. All ihre Tore stehen öde, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sehen jammervoll drein, und sie ist betrübt.5Ihre Widersacher sind obenauf, ihren Feinden geht’s gut; denn der HERR hat über sie Jammer gebracht um ihrer großen Sünden willen, und ihre Kinder sind gefangen vor dem Feind dahingezogen.6Es ist von der Tochter Zion aller Schmuck dahin. Ihre Fürsten sind wie Hirsche, die keine Weide finden und matt vor dem Verfolger herlaufen.7Jerusalem denkt in dieser Zeit, da sie elend und verlassen ist, wie viel Gutes sie von alters her gehabt hat, wie aber all ihr Volk darniedersank unter des Feindes Hand und ihr niemand half. Ihre Feinde sehen auf sie herab und spotten über ihren Untergang.8Jerusalem hat sich versündigt; darum muss sie sein wie eine unreine Frau. Alle, die sie ehrten, verschmähen sie jetzt, weil sie ihre Blöße sehen; sie aber seufzt und hat sich abgewendet. (Hes 16,37)9Ihr Unflat klebt an ihrem Saum. Sie hätte nicht gemeint, dass es ihr zuletzt so gehen würde. Sie ist ja gräulich heruntergestoßen und hat dazu niemand, der sie tröstet. »Ach, HERR, sieh an mein Elend; denn der Feind triumphiert!«10Der Feind hat seine Hand gelegt an alle ihre Kleinode. Ja, sie musste zusehen, dass die Heiden in ihr Heiligtum gingen, während du geboten hast, sie sollten nicht in deine Gemeinde kommen. (5Mo 23,4; Jer 52,17)11Alles Volk seufzt und geht nach Brot, es gibt seine Kleinode um Speise, um sein Leben zu erhalten. »Ach, HERR, sieh doch und schau, wie verachtet ich bin!«12Euch allen, die ihr vorübergeht, sage ich: »Schaut doch und seht, ob irgendein Schmerz ist wie mein Schmerz, der mich getroffen hat; denn der HERR hat Jammer über mich gebracht am Tage seines grimmigen Zorns.13Er hat ein Feuer aus der Höhe in meine Gebeine gesandt und lässt es wüten. Er hat meinen Füßen ein Netz gestellt und mich rückwärts fallen lassen; er hat mich zur Wüste gemacht, dass ich für immer siech bin.14Schwer ist das Joch meiner Sünden; durch seine Hand sind sie zusammengeknüpft. Sie sind mir auf den Hals gekommen, sodass mir alle meine Kraft vergangen ist. Der Herr hat mich in die Gewalt derer gegeben, gegen die ich nicht aufkommen kann.15Der Herr hat zertreten alle meine Starken, die ich hatte; er hat gegen mich ein Fest ausrufen lassen, um meine junge Mannschaft zu verderben. Der Herr hat die Kelter getreten der Jungfrau, der Tochter Juda. (Jes 63,3)16Darüber weine ich so, und mein Auge fließt von Tränen; denn der Tröster, der meine Seele erquicken sollte, ist ferne von mir. Meine Kinder sind dahin; denn der Feind hat die Oberhand gewonnen.«17Zion streckt ihre Hände aus, und doch ist niemand da, der sie tröstet; denn der HERR hat gegen Jakob seine Feinde ringsum aufgeboten, sodass Jerusalem zwischen ihnen sein muss wie eine unreine Frau.18»Der HERR ist gerecht, denn ich bin seinem Worte ungehorsam gewesen. Höret, alle Völker, und schaut meinen Schmerz! Meine Jungfrauen und Jünglinge sind in die Gefangenschaft gegangen. (Kla 3,42; Kla 5,16)19Ich rief meine Freunde, aber sie ließen mich im Stich. Meine Priester und meine Ältesten sind in der Stadt verschmachtet, sie gehen nach Brot, um ihr Leben zu erhalten.20Ach, HERR, sieh doch, wie bange ist mir, dass mir’s im Leibe davon wehtut! Mir dreht sich das Herz im Leibe um, weil ich so ungehorsam gewesen bin. Draußen hat mich das Schwert und im Hause hat mich der Tod meiner Kinder beraubt.21Man hört’s wohl, dass ich seufze, und doch habe ich keinen Tröster; alle meine Feinde hören mein Unglück und freuen sich, dass du es gemacht hast. Du hast den Tag kommen lassen, den du verkündet hast, – aber ihnen soll es gehen wie mir. (Kla 4,21)22Lass alle ihre Bosheit vor dich kommen und richte sie zu, wie du mich zugerichtet hast um aller meiner Missetat willen; denn meiner Seufzer sind viel, und mein Herz ist betrübt.«