1Weh, wie einsam sitzt da / die einst so volkreiche Stadt!
Einer Witwe wurde gleich / die Große unter den Völkern.
Die Fürstin über die Länder / ist zur Fron erniedrigt. (Jes 50,1)2Sie weint und weint des Nachts, / Tränen auf ihren Wangen.
Niemand ist da, sie zu trösten, / unter all denen, die sie liebten.
Untreu sind all ihre Freunde, / sie sind ihr zu Feinden geworden. (Jes 51,12; Jer 30,14)3In die Verbannung zog Juda aus Elend / und harter Knechtschaft.
Nun weilt sie unter den Völkern / und findet nicht Ruhe.
All ihre Verfolger holten sie ein / mitten in der Bedrängnis. (5Mo 25,17)4Die Wege nach Zion trauern, / niemand pilgert zum Fest, / verödet sind all ihre Tore.
Ihre Priester seufzen, / ihre Jungfrauen sind voll Gram, / sie selbst trägt Weh und Kummer. (Jes 51,11)5Ihre Bedränger sind an der Macht, / ihre Feinde im Glück.
Denn Trübsal hat der HERR ihr gesandt / wegen ihrer vielen Verfehlungen.
Ihre Kinder zogen fort, / gefangen, vor dem Bedränger.6Gewichen ist von der Tochter Zion / all ihre Pracht.
Ihre Fürsten sind wie Hirsche geworden, / die keine Weide finden.
Kraftlos zogen sie dahin / vor ihren Verfolgern.7Jerusalem denkt an die Tage / ihres Elends, ihrer Unrast,
an all ihre Kostbarkeiten, / die sie einst besessen,
als ihr Volk in Feindeshand fiel / und niemand da war, ihr zu helfen.
Die Bedränger sahen sie an, / lachten über ihre Vernichtung.8Schwer gesündigt hatte Jerusalem, / deshalb ist sie zum Abscheu geworden.
All ihre Verehrer verachten sie, / weil sie ihre Blöße gesehen.
Sie selbst seufzt / und wendet sich ab.9Ihre Unreinheit klebt an ihrer Schleppe, / ihr Ende bedachte sie nicht.
Entsetzlich ist sie gesunken, / niemand ist da, sie zu trösten.
Sieh doch mein Elend, o HERR, / denn die Feinde prahlen!10Der Bedränger streckte die Hand aus / nach all ihren Schätzen.
Ja, sie sah, wie Völker / in ihr Heiligtum drangen;
ihnen hattest du doch verboten, / sich dir zu nahen in der Gemeinde. (Hes 44,9)11All ihre Bewohner seufzen, / verlangen nach Brot.
Sie geben ihre Schätze für Nahrung, / nur um am Leben zu bleiben.
HERR, sieh doch und schau, / wie sehr ich verachtet bin.12Ihr alle, die ihr des Weges zieht, / schaut doch und seht,
ob ein Schmerz ist wie mein Schmerz, / den man mir angetan,
mit dem der HERR mich geschlagen hat / am Tag seines glühenden Zornes.13Aus der Höhe sandte er Feuer, / in meine Glieder ließ er es fallen.
Er spannte ein Netz meinen Füßen, / rücklings riss er mich nieder.
Er machte mich einsam / und siech für alle Zeit.[1] (Ps 35,7)14Schwer ist das Joch meiner Verfehlungen, / von seiner Hand aufgelegt.
Sie stiegen mir über den Hals; / da brach meine Kraft.
Preisgegeben hat mich der Herr / in die Hand derer, denen ich nicht standhalten konnte.15Verworfen hat all meine Helden / der Herr in meiner Mitte.
Ein Fest rief er aus gegen mich, / meine jungen Männer zu zerschlagen.
Die Kelter trat der Herr / gegen die Jungfrau, Tochter Juda. (Jes 63,3)16Darüber muss ich weinen, / mein Auge, ja, mein Auge fließt von Tränen.
Fern von mir ist ein Tröster, / mein Leben zurückzubringen.
Einsam sind meine Kinder; / denn der Feind ist stark.17Zion ringt die Hände, / niemand ist da, sie zu trösten.
Aufgeboten hat der HERR gegen Jakob / seine Nachbarn, ihn zu bedrängen.
Jerusalem ist unter ihnen / zum Schandfleck geworden.18Er, der HERR, ist im Recht. / Ich habe seinem Wort getrotzt.
Hört doch, alle ihr Völker, / und seht meinen Schmerz:
Meine Mädchen, meine jungen Männer / zogen in die Gefangenschaft. (Jes 45,21)19Ich rief nach denen, die mich liebten; / doch sie betrogen mich.
Meine Priester, meine Ältesten / sind in der Stadt verschmachtet,
als sie Nahrung suchten, / um am Leben zu bleiben. (Jer 22,22)20HERR, sieh an, wie mir angst ist! / Mein Inneres glüht;
mir dreht sich das Herz im Leibe, / weil ich mich so heftig widersetzt habe.
Draußen raubte die Kinder das Schwert, / was drinnen ist, gleicht dem Tod.21Sie hörten, wie ich stöhne; / ich habe keinen Tröster.
All meine Feinde hörten von meinem Unglück, / freuten sich, dass du es bewirkt hast.
Du brachtest deinen angekündigten Tag. / Ihnen aber wird es ergehen wie mir;22all ihre Bosheit komme vor dich. / Tu dann an ihnen,
wie du an mir getan / wegen all meiner Verfehlungen!
Denn ich stöhne ohne Ende / und mein Herz ist krank. (Kla 3,58; Kla 4,20)
Klagelieder 1
Lutherbibel 2017
Jerusalem klagt und fleht um Hilfe
1Ach, wie liegt die Stadt so verlassen, die voll Volks war! Sie ist wie eine Witwe, die Fürstin unter den Völkern, und die eine Königin in den Ländern war, muss nun dienen. (Jer 51,5)2Sie weint des Nachts, dass ihr die Tränen über die Backen laufen. Es ist niemand unter allen ihren Liebhabern, der sie tröstet. Alle ihre Freunde sind ihr untreu und ihre Feinde geworden. (Ps 69,21)3Juda ist gefangen in Elend und schwerem Dienst, es wohnt unter den Völkern und findet keine Ruhe; alle seine Verfolger kommen heran in Bedrängnissen.4Die Straßen nach Zion liegen wüst, weil niemand auf ein Fest kommt. All ihre Tore stehen öde, ihre Priester seufzen, ihre Jungfrauen sehen jammervoll drein, und sie ist betrübt.5Ihre Widersacher sind obenauf, ihren Feinden geht’s gut; denn der HERR hat über sie Jammer gebracht um ihrer großen Sünden willen, und ihre Kinder sind gefangen vor dem Feind dahingezogen.6Es ist von der Tochter Zion aller Schmuck dahin. Ihre Fürsten sind wie Hirsche, die keine Weide finden und matt vor dem Verfolger herlaufen.7Jerusalem denkt in dieser Zeit, da sie elend und verlassen ist, wie viel Gutes sie von alters her gehabt hat, wie aber all ihr Volk darniedersank unter des Feindes Hand und ihr niemand half. Ihre Feinde sehen auf sie herab und spotten über ihren Untergang.8Jerusalem hat sich versündigt; darum muss sie sein wie eine unreine Frau. Alle, die sie ehrten, verschmähen sie jetzt, weil sie ihre Blöße sehen; sie aber seufzt und hat sich abgewendet. (Hes 16,37)9Ihr Unflat klebt an ihrem Saum. Sie hätte nicht gemeint, dass es ihr zuletzt so gehen würde. Sie ist ja gräulich heruntergestoßen und hat dazu niemand, der sie tröstet. »Ach, HERR, sieh an mein Elend; denn der Feind triumphiert!«10Der Feind hat seine Hand gelegt an alle ihre Kleinode. Ja, sie musste zusehen, dass die Heiden in ihr Heiligtum gingen, während du geboten hast, sie sollten nicht in deine Gemeinde kommen. (5Mo 23,4; Jer 52,17)11Alles Volk seufzt und geht nach Brot, es gibt seine Kleinode um Speise, um sein Leben zu erhalten. »Ach, HERR, sieh doch und schau, wie verachtet ich bin!«12Euch allen, die ihr vorübergeht, sage ich: »Schaut doch und seht, ob irgendein Schmerz ist wie mein Schmerz, der mich getroffen hat; denn der HERR hat Jammer über mich gebracht am Tage seines grimmigen Zorns.13Er hat ein Feuer aus der Höhe in meine Gebeine gesandt und lässt es wüten. Er hat meinen Füßen ein Netz gestellt und mich rückwärts fallen lassen; er hat mich zur Wüste gemacht, dass ich für immer siech bin.14Schwer ist das Joch meiner Sünden; durch seine Hand sind sie zusammengeknüpft. Sie sind mir auf den Hals gekommen, sodass mir alle meine Kraft vergangen ist. Der Herr hat mich in die Gewalt derer gegeben, gegen die ich nicht aufkommen kann.15Der Herr hat zertreten alle meine Starken, die ich hatte; er hat gegen mich ein Fest ausrufen lassen, um meine junge Mannschaft zu verderben. Der Herr hat die Kelter getreten der Jungfrau, der Tochter Juda. (Jes 63,3)16Darüber weine ich so, und mein Auge fließt von Tränen; denn der Tröster, der meine Seele erquicken sollte, ist ferne von mir. Meine Kinder sind dahin; denn der Feind hat die Oberhand gewonnen.«17Zion streckt ihre Hände aus, und doch ist niemand da, der sie tröstet; denn der HERR hat gegen Jakob seine Feinde ringsum aufgeboten, sodass Jerusalem zwischen ihnen sein muss wie eine unreine Frau.18»Der HERR ist gerecht, denn ich bin seinem Worte ungehorsam gewesen. Höret, alle Völker, und schaut meinen Schmerz! Meine Jungfrauen und Jünglinge sind in die Gefangenschaft gegangen. (Kla 3,42; Kla 5,16)19Ich rief meine Freunde, aber sie ließen mich im Stich. Meine Priester und meine Ältesten sind in der Stadt verschmachtet, sie gehen nach Brot, um ihr Leben zu erhalten.20Ach, HERR, sieh doch, wie bange ist mir, dass mir’s im Leibe davon wehtut! Mir dreht sich das Herz im Leibe um, weil ich so ungehorsam gewesen bin. Draußen hat mich das Schwert und im Hause hat mich der Tod meiner Kinder beraubt.21Man hört’s wohl, dass ich seufze, und doch habe ich keinen Tröster; alle meine Feinde hören mein Unglück und freuen sich, dass du es gemacht hast. Du hast den Tag kommen lassen, den du verkündet hast, – aber ihnen soll es gehen wie mir. (Kla 4,21)22Lass alle ihre Bosheit vor dich kommen und richte sie zu, wie du mich zugerichtet hast um aller meiner Missetat willen; denn meiner Seufzer sind viel, und mein Herz ist betrübt.«